Die rechte Ideensammlung seines Stellvertreters quittiert Kretschmann mit zur Schau getragener Nichtachtung. Weder die Stuttgarter Koalition noch die Innenministerkonferenz würden sich mit der Causa Strobel befassen, weil sie nicht "das Handeln der Landesregierung betrifft". Trotzdem ist schwer vorstellbar, dass Strobls Papier ohne Konsequenzen bleibt. Als Innenminister müsste er den Worten Taten folgen lassen nach Sätzen wie "Schon bisher ist es uns nicht in ausreichendem Maße gelungen, die Ausreisepflicht durchzusetzen". Oder: "Dies müssen wir dringend korrigieren". Oder: "Schon heute bestehen in Deutschland erhebliche Schwierigkeiten bei der Durchsetzung der Ausreisepflicht."
Strobl appelliert eigentlich an sich selbst
Strobl hat das Credo seines Parteifreunds Erwin Teufel von der "Politik, die mit der Betrachtung der Realität beginnt" im Laufe der Jahre sicherlich hunderte Male gehört. Seinen Sinn für die Wirklichkeit hat der Satz aber nicht geschärft. Mehr noch: Seine Appelle richtet er eigentlich an sich selber und sie suggerieren eine Notlage, die derzeit nicht existiert. "Wir müssen rasch gegensteuern", mahnt der Minister dennoch und fordert: Im Sinne einer "wirksamen Prävention sollten wir Ausländer ohne Einreiseerlaubnis schon an den Grenzen zurückweisen [...] und ankommende Asylbewerber entsprechend zurückführen, etwa nach Italien". Wahrscheinlich war er unabkömmlich, als die Kanzlerin unlängst bekannte, nur zu gerne die Zeit um Jahre zurückdrehen zu wollen, wenn sie könnte, weil Deutschland andere EU-Mitglieder wie Italien mit den übers Mittelmeer ankommenden Flüchtlingen alleingelassen habe.
Insgesamt sind 14 konkrete Punkte zusammengetragen. Nicht nur die Juristen in der CDU-Landtagsfraktion – die Strobl weiterhin eher abgeneigt ist – fragen sich, was in den Rechtsanwalt mit Schwerpunkten Verwaltungs- und Presserecht gefahren ist. Etwa in Sachen Sozialleistungen: "Wer Schutz vor Krieg und Verfolgung sucht, bedarf nicht zwingend der gleichen Sozialleistungen wie einheimische Leistungsbezieher." Adressaten solcher Sätze können einzig und allein die Bundesverfassungsrichter in Karlsruhe sein. Der Erste Senat hatte im Sommer 2012 die bis dahin geltenden – und von Strobl jetzt wieder verlangten – Kürzungen als nicht vereinbar mit dem Grundgesetz aufgehoben. Argumentiert wird vor allem mit Artikel eins und der Menschenwürde. Die Höhe der Leistungen müssten einem "menschenwürdigen Existenzminimum" entsprechen, dürften nicht "evident unzureichend sein" und seien "realitätsgerecht" zu bestimmen. Dies umfasse sowohl die physische Existenz des Menschen als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und "ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben". Und die Richter erinnern den Gesetzgeber an weitere Verpflichtungen, "die sich aus dem Recht der Europäischen Union und aus Völkerrecht ergeben".
13 Kommentare verfügbar
hp. blomeier
am 24.01.2017Gela
am 04.12.2016Günther
am 04.12.2016Schwabe
am 04.12.2016Niemand beherrscht den Populismus besser als bürgerliche sprich kapitalistische Parteien. Auch hier muss man jedoch unterscheiden zwischen neoliberalen Parteien (z.B. CDU, SPD, Grüne, FDP) und rechtspopulistischen Parteien (z.B. AfD, CSU).
Während neoliberal ausgerichtete Parteien vor den Wahlen dem kleinen Bürger/dem Wähler (der diesen vor Wahlen immer in den Sinn kommt) gerne soziale Wahlversprechen machen (aktuelles Beispiel Schäubles Steuersenkungsversprechen) die sie dann nicht einhalten, appellieren Rechtspopulisten an die emotional aufgeladene Stimmung der Wähler hinsichtlich Zuwanderung - die jedoch ernst gemeint sind.
Strobel fischt somit im Gebiet der AfD und bekommt prompt Lob aus dieser Richtung hinsichtlich seiner Lernfähigkeit.
Bei beiden bürgerlichen Strömungen spielen die Fluchtursachen und die Mitverantwortung Deutschlands (Waffenexporte, Beteiligung an illegalen Angriffskriegen oder an den Drohnenmorden von Ramstein aus) keine Rolle.
Andreas Bitz
am 03.12.2016Ja, das Vorhaben von Herrn Strobl ist populistisch - aber deshalb nicht von vorneherein falsch.
Wer kein Bleiberecht hat muß gehen. Und wer nicht geht muß abgeschoben werden. Und zwar in großem stil - über 500 Tsd. Damit für wirklich Schutzbedürftige / Asylberechtigte Kapazitäten bleiben. Grenzkontrollen und Zurückweisungen sind nicht deshalb falsch weil sie von Herrn Strobl angemahnt werden. Asylantragszentren sind doch ein vernünftiger Vorschlag. Jedenfalls wird so den Schleppern und ihren Helfershelfern (Frontex, Spendenorganisationen) das Handwerk gelegt und das Sterben im Mittelmeer beendet.
Den Kontrollverlust und das anhaltende Staatsversagen in Sachen Zuwanderung hat Herr Strobl wg. Kanzlerinnenhörigkeit mitzuverantworten. Er zeigt sich nun lernfähig - lieber spät als nie.
Konrad Wanner
am 01.12.2016Schwabe
am 01.12.2016Bedürfnisse kleinerer und mittlerer Unternehmen sowie solche der normalen Bürger bleiben bei beiden, politisch bürgerlichen Strömungen, auf der Strecke.
Den neuen US-Präsidenten Donald Trump kann man m.E. getrost auch der "bürgerlichen" Politikerfraktion zuordnen - eben eher der AfD sprich national ausgerichteten Fraktionen.
Anmerkung: "bürgerliche" Politik meint nicht den normalen Bürger sprich nicht die Bevölkerungsmehrheit, "bürgerlich" (e Politik) kommt aus dem französischen "Bourgeoisie" und bezeichnet das Großbürgertum, also die abgehobene soziale Klasse in einer Gesellschaft.
Andrea
am 01.12.2016Rolf Schmid
am 30.11.2016Siegfried
am 30.11.2016pebo
am 30.11.2016Auf Äußerungen oder gar Maßnahmen gegen NSU, Reichsbürger oder andere Rechte werden wir von Strobl sowie seinen Innenministerkollen de Maizière, Herrmann u.a. bestimmt lange warten müssen.
Fritz
am 30.11.2016Rolf Steiner
am 30.11.2016Auch wenn sie längst angeschimmelt sind, scheinen diese längst überkommenen amuse gueule dem einen oder anderen Anhänger der CDU immer noch recht gut zu schmecken. Ob sie die Wähler der rechtsextremen AfD hinter dem kräftig angeheizten Ofen hervor locken können, ist eine andere Frage. Auf Flüchtlingen herumtrampeln scheint eine besonderes Vergnügen zu sein.