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Gut dotiertes Vertrauen

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Ein Polizist soll für ein gutes Verhältnis zur Polizei sorgen – als Bürgerbeauftragter. Ausgesucht und durchgedrückt wurde er von den Grünen. Den üppig dotierten Job wird der Vizechef der Aalener Ordnungshüter, Volker Schindler, übernehmen. Jetzt wird er vom Landtag abgenickt.

Vorab zum besseren Verständnis: Der Polizeieinsatz am Schwarzen Donnerstag im Stuttgarter Schlossgarten wäre leichter zu klären gewesen, wenn die uniformierten und behelmten Beamten – auf Fotos und Filmaufnahmen – zu erkennen gewesen wären. Dutzende von Ermittlungsverfahren gegen übergriffige, aber eben unbekannte Polizisten mussten nach dem 30.9.2010 eingestellt werden. Die Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte, die es in anderen Bundesländern damals schon gab, war deshalb ein großes Thema im Landtagswahlkampf 2011. Und als Absicht gelangte es auch noch in den Koalitionsvertrag von Grünen und SPD. Doch dabei blieb es, fünf Jahre lang erfolgreich blockiert von SPD-Innenminister Reinhold Gall, der um Wählerstimmen aus Polizeikreisen bangte. Übrig blieb ein Kompromiss: der Bürgerbeauftragte.

Dessen Arbeitsplatzbeschreibung steht im Paragraphen 1 des Gesetzes, das die grün-rote Regierung ganz zum Ende ihrer Legislaturperiode im Februar 2016 noch schnell durch den Landtag peitschte: "Die oder der Bürgerbeauftragte hat die Aufgabe, die Stellung der Bürgerinnen und Bürger im Verkehr mit den Behörden des Landes zu stärken. Sie oder er hat zudem die Aufgabe, das partnerschaftliche Verhältnis zwischen Bürgerschaft und Polizei zu stärken."

Ein anspruchsvolles Amt erfordert anspruchsvolle Bezüge

Einen geeigneten Kandidaten zu finden für den anspruchsvollen Job, der mit Bezügen der Besoldungsgruppe B3 (wie der Direktor der Bundesbank, jährliches Grundgehalt brutto 94 607,76 € zuzüglich einer monatlichen Aufwandsentschädigung bei einer Amtszeit von acht Jahren) ausgesprochen üppig dotiert ist, dafür reichte der alten Regierung die Zeit nicht mehr. Jetzt ist eben die CDU dran, die im Februar noch als Opposition gegen das Gesetz gestimmt - und die ganze Angelegenheit als "Kuhhandel" verspottet hatte.

Dass es unter Grün-Schwarz ein halbes Jahr dauerte, bis endlich der oder die Richtige gefunden war, lag allerdings an den Grünen, denn die hatten in diesem Falle das koalitionsinterne Vorschlagsrecht in Personalsachen. Will heißen: Wer vom Koalitionspartner vorgeschlagen wird, den wählt der andere mit. Kontext-Anfragen nach dem Stand des Verfahrens an das Staatsministerium und an das Innenministerium blieben seit Mai unbeantwortet; eine Bürgerin, die im Oktober in gleicher Sache bei Innenminister Thomas Strobl (CDU) angefragt hatte, wurde folgendermaßen beschieden: "Das Gesetz sieht vor, dass die Bürgerbeauftragte bzw. der Bürgerbeauftragte vom Landtag, auf Vorschlag der Landesregierung, gewählt wird. Die Landesregierung hat die Besetzung dieser verantwortungsvollen Position bereits in Angriff genommen. Wie Sie sich vorstellen können, erfordert es jedoch Zeit und Aufwand, eine geeignete Person zu finden, die die hohen persönlichen und fachlichen Ansprüche, die dieses Amt erfordert, erfüllen kann."

Gesucht und gefunden hat vor allem Hans-Ulrich Sckerl

Zumindest der Aufwand, der bei der Suche betrieben wurde, war nicht sonderlich hoch. Ohne Beteiligung der Landesregierung haben der grüne Fraktionsvorsitzende Andreas Schwarz zusammen mit seinem parlamentarischen Geschäftsführer Hans-Ulrich Sckerl gesucht. Von letzterem dürfte wohl der Vorschlag stammen, den ehemaligen Vizepräsidenten der Polizeidirektion Aalen, Volker Schindler, auf den Stuhl des Bürgerbeauftragten zu setzen.

Sckerls Bekanntschaft mit Schindler geht offenbar auf seinen Besuch bei der Polizeidirektion Aalen am 11.1.2012 zurück. Sckerl und die damalige Polizeibeauftragte der Grünen, Petra Häffner, Abgeordnete aus Schorndorf, hatten die Bediensteten der Polizeidirektion über die Pläne der damals noch neuen grün-roten Landesregierung informiert, ihnen Verstärkung zugesagt und ihre Bedenken zur anstehenden Polizeireform zerstreut. Schindler hatte die Besucher damals gelobt: Die Reform sei der richtige Weg.

Ein gutes Wort für Schindler dürfte überdies Berthold Weiß eingelegt haben. An dem Treffen in der Polizeidirektion hatte der grüne Gemeinderat in seiner damaligen Funktion als Suchtberater teilgenommen. Weiß ist inzwischen Leiter der Landeserstaufnahmestelle Ellwangen (LEA) und Fraktionssprecher der Grünen im Ellwanger Gemeinderat. Als Chef der Erstaufnahmestelle arbeitete er mit Schindler bis zu dessen Pensionierung eng zusammen. Schindler erwarb sich dabei den Ruf als besonnener Schlichter bei Konflikten in der LEA.

Mit dem Vertrauen ist das eben so eine Sache

Schon in der Landtagsdebatte im Februar hatte der ehemalige Justizminister Ulrich Goll (FDP) geunkt: "Aber glauben Sie, dass sich die Polizeibeamten vertrauensvoll an einen Polizeibeauftragten wenden, von dem Sie wissen, dass er eigentlich als kritisch gegenüber der Polizei gemeint ist?" Man muss diesen Satz jetzt nur geringfügig ändern und sieht Golls Befürchtungen bestätigt: Aber glauben Sie, dass sich die Bürger vertrauensvoll mit ihren Beschwerden über die Polizei an einen Bürgerbeauftragten wenden, von dem sie wissen, dass er eigentlich ein Polizeibeamter ist?

Denn ausgerechnet in Polizeiangelegenheiten verlangt das Gesetz dem Amtsinhaber den Spagat ab, für beide Seiten den Ansprechpartner abgeben zu sollen. Ex-Minister Goll hatte Grün-Rot scharf dafür kritisiert: "Es ist ein schnell zusammengeschustertes Ding auf der Zielgeraden; es musste als politischer Kompromiss noch schnell durchgedrückt werden. In etwa kennen wir ja den Hintergrund. Die Folgen sind unklare Regelungen im Großen und im Detail."

Dazu zählt nicht zuletzt der Umstand, dass der Beauftragte sich zwar "unabhängig" nennen darf, andererseits aber auch ohne Befugnisse ist. Er hat auf einvernehmliche Erledigung seiner Angelegenheiten hin zu wirken und darf Ministerien nur "in bedeutenden Fällen" zu Stellungnahmen auffordern. Das sind in der Tat "hohe fachliche und persönliche Ansprüche, die das Amt erfordert"...

Volker Schindler wird sie erfüllen. Einmal ausgeguckt, wurde die Personalie dermaßen zügig eingetütet, dass selbst Regierungsmitglieder den Namen aus der Zeitung erfuhren. Erst recht vor vollendete Tatsachen gestellt wurden die Landtagsfraktionen, was bei den Grünen zumindest für Unmut sorgte. Deren Landesvorsitzender Oliver Hildenbrand hatte den Kompromiss im Februar noch als "weiteren Baustein für unsere Politik des Gehörtwerdens" bejubelt. Gehört worden ist er dann allerdings ebenso wenig wie die Abgeordneten des Landtags, denen sich Volker Schindler in der Sitzung am 1. Dezember zur Wahl stellt. Denn die Wahl – so schreibt es das Gesetz vor – erfolgt ohne vorherige Aussprache zur Sache.

Teil des faulen Kompromisses ist außerdem die Regelung, dass sich der Bürgerbeauftragte – wenn es sich um Bürgerbeschwerden gegen Polizeimaßnahmen handelt – nur mit einzelnen polizeilichen Maßnahmen befasst. Und also nicht mit Großeinsätzen, die "aus dem Ruder laufen". So jedenfalls wird es in Rheinland-Pfalz gehandhabt, wo es bereits einen Bürgerbeauftragten gibt, der sowohl für Beschwerden der Bürger als auch für solche von Polizisten zuständig sind. Und Berlin soll demnächst einen solchen bekommen.

Der Unterschied zu Baden-Württemberg ist freilich ein großer: In beiden Ländern gibt es längst auch die Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte.


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3 Kommentare verfügbar

  • Nina Picasso
    am 30.11.2016
    Antworten
    Was man wieder alles so erfährt...Nicht mal die eigenen Abgeordneten wird die Personalie des Bürgerbeauftragten vorgestellt. Grün tickt wirklich anders in Stuttgart/BA-Wü.
    Sieht also nach einem Bürger (etwasPolizei)beauftragter light aus.

    Ich möchte noch zu dem Bericht ergänzen: In Berlin wurde…
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