Schein und Sein klaffen auseinander: In der Öffentlichkeit herrscht die Ansicht, die in halb Europa selbstverständliche anonymisierte Zahlencombination auf Polizei-Uniformen sei ein Prestigeprojekt der Grünen. Das würde zwar zur Tradition der einstigen Alternativpartei passen, mit ihrer Vorliebe für Demonstrationen und ihrer Skepsis gegenüber Staatsorganen. Es stimmt aber trotzdem nicht.
Vielmehr heißt es im "Regierungsprogramm 2011-2016" der SPD unter der schönen Überschrift "Sicherheit und Freiheit": "Wir werden bei Demonstrationen und ähnlichen Großveranstaltungen die Einführung einer individualisierten anonymisierten Kennzeichnung von Polizistinnen und Polizisten auf deren Einsatzanzügen einführen". Auf Seite 99 stellen die Sozialdemokraten für den Fall einer rot-grünen Mehrheit eine entsprechende Änderung des Gesetzes und eine Bundesratsinitiative in Aussicht, um zu erreichen, dass die Regelung künftig "für alle Einsatzkräfte gilt, die in Baden-Württemberg tätig sind".
Verabschiedet wurde das Versprechen einstimmig auf dem Parteitag am 27. Januar 2011 in Stuttgart. Einige Wochen später war die entscheidende Stelle im Koalitionsvertrag mit den Grünen ("Der Wechsel beginnt.") rasch ausverhandelt: "Wir werden eine individualisierte anonymisierte Kennzeichnung der Polizei bei sog. 'Großlagen' einführen, unter strikter Wahrung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der Polizistinnen und Polizisten." Was schon allein deshalb nie in Zweifel stand, weil sich Sozialdemokraten und Grüne nach dem brutalen Einsatz im Stuttgarter Schlossgarten 2010 und im ersten parlamentarischen Untersuchungsausschuss einig über das Vorhaben waren: Polizisten in Großeinsätzen sollten wissen, dass sie identifiziert werden können.
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Udo Kauß
am 12.12.2015Die zornige Reaktion der Vorsitzenden der "Grünen Jugend" Schweling auf die Begräbnis-Mitteilung des
Innenministeriums ist berechtigt. Die Einsetzung eines Bürgerbeauftragen ist zwar ein begrüßenswertes…