Das Pariser Klimaziel feiert in wenigen Monaten einen traurigen zehnten Geburtstag. Im Dezember 2015 kamen mehr als 200 Staaten überein, die globale Erderwärmung auf "deutlich unter" zwei Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen und "Anstrengungen für eine Begrenzung auf 1,5 Grad Celsius zu unternehmen". Zudem wurde die sogenannte Ambitionssteigerung beschlossen, wonach alle Unterzeichner:innen ihre nationalen Klimaschutzbeiträge regelmäßig überprüfen und, falls sie nicht ausreichen, ehrgeizig anpassen müssen.
"Wenn nicht rasch und ambitioniert gehandelt wird, droht eine Erwärmung um vier Grad oder mehr", heißt es im damals von Bundeskanzlerin Angela Merkels (CDU) Großer Koalition verabschiedeten Klimaschutzplan 2050 für Deutschland, den die Länder in eigenes Recht zu übertragen hatten. Und weiter: "Damit würden die Möglichkeiten für Menschen, Gesellschaften und Ökosysteme massiv schwinden, sich anzupassen".
Dass Städte, vor allem Großstädte, besonders vom Klimawandel betroffen sind, ist seit Langem bekannt. Auch, dass Baden-Württemberg mit einem Temperaturanstieg von drei Grad in nur 15 Jahren gegenüber dem Beginn des Industriezeitalters zu rechnen hat, ist alles andere als neu. Und dennoch drängt die grün-schwarze Landesregierung, auf besonderen Wunsch von CDU, Kommunen und Kreisen, nicht wirklich zur Eile, die wenigen verbliebenen Jahre zu nutzen.
Dank CDU kommen Maßnahmen drei Jahre später
Das zeigte sich etwa am 24. Juni im Landtag, als ein Gesetzentwurf zur Abstimmung stand, der Anpassungskonzepte für die Folgen des Klimawandels sowie Wärmeplanungen regeln soll. "Wenn es nach der Fraktion der Grünen gegangen wäre, dann wären die Fristen für die kommunalen Anpassungskonzepte wie im ursprünglichen Entwurf geblieben – nämlich 2028 für Kreise und große Städte und 2031 für alle anderen Kommunen", stellte der grüne Kehler Abgeordnete Bernd Mettenleiter fest. Es ging aber nicht mit dem schwarzen Koalitionspartner. Stattdessen wurde eine Verschiebung um jeweils drei Jahre beschlossen. Mettenleiter, Biologe mit zusätzlichem Chemiestudium, brachte sogar ein Schaubild in den Plenarsaal mit, um die allmählich verlorengehende Spitzenstellung Baden-Württembergs gerade in Fragen der Wärmeplanung zu illustrieren. Die Vorreiterrolle sei möglich gewesen, erklärte er, weil "die CDU vor fünf Jahren noch bereit war, beim Klimaschutz voranzugehen". Die Betonung lag auf noch.
Gleich nach dem Grünen zeigte sich der CDU-Abgeordnete Raimund Haser völlig unbeeindruckt von der Kritik – immer im Wissen, dass Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) keinen Ärger will und seine Grünen im Landtag sich wie gewohnt fügen. Die CDU-Fraktion, so Haser in entwaffnender Offenheit, habe dafür plädiert, "die Klimawandelanpassungspläne zwar zu machen und eine Pflicht hineinzunehmen, aber die Pflicht auf 2031 zu verschieben, weil wir alle wissen, was bei den meisten Kommunen auf dem Zettel steht, und auch darauf Rücksicht nehmen".
Das steht im krassem Gegensatz zu früheren Bekenntnissen. Schon der erste grün-schwarze Koalitionsvertrag von 2016 enthielt dieses Versprechen: "Wir werden uns beim Bund, bei der EU und auf internationaler Ebene für die ambitionierte Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens und die entsprechende Gestaltung der energie- und klimapolitischen Rahmenbedingungen einsetzen." Und der zweite Koalitionsvertrag von 2021 formulierte einen Satz, dem jetzt wegen Nichterfüllung traurige Berühmtheit droht: "Das Land strebt an, so schnell wie möglich entlang des 1,5-Grad-Ziels Klimaneutralität mit Netto-Null-Emissionen zu erreichen, spätestens im Jahr 2040."
Dass Begrünung wirkt, ist bekannt – der CDU nicht
Die Pariser Sanduhr läuft. Und die CDU wäre schon deshalb in der Pflicht, weil sie viel getan hat für die Diskreditierung vergleichsweise niederschwelliger, aber äußerst wirkungsvoller Maßnahmen zur positiven Veränderung des Klimas in Städten und Gemeinden. Bald nach dem Machtwechsel im Südwesten 2011 begann die damalige Koalition aus Grünen und SPD, die Landesbauordnung vorsichtig zu verändern: um die unter Wissenschaftler:innen schon längst bekannten Einsichten zur Wirkung von Dach- und Fassadenbegrünungen aufs Stadtklima umzusetzen. Bei fehlenden Alternativen in der Nähe, wie Gärten oder Grünflächen, sollten Dächer und Fassaden begrünt werden, "soweit ihre Beschaffenheit, Konstruktion und Gestaltung dies zulassen".
Häme und Kritik waren heftig. Winfried Mack (CDU), damals immerhin stellvertretender Landes- und Fraktionschef, machte den Vorstoß mehrfach nieder als "obrigkeitsstaatliche Idee aus der grünen Mottenkiste". Er bezweifelte sogar dessen Sinnhaftigkeit und behauptete, Dachflächen oder Fassaden seien längst ausgetrocknet und damit ohne Funktion, wenn der Sommer mit seinen Hitzeperioden komme. Weitaus besser wussten das schon die alten Ägypter:innen und erst recht die Babylonier:innen, und zwar etwa seit dem achten Jahrhundert vor (!) Christus. Niemand, der die als Weltwunder eingeordneten "Hängenden Gärten der Semiramis" beschrieb, hat sie wirklich gesehen. Aber schon antike Schriftsteller entwickelten durch Hören-Sagen Theorien zu Entstehung und Funktion, ebenso zu Bewässerung und Abkühlung.
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