Erhard Eppler wurde im Sommer 1982 vom Hof gejagt, mit Schimpf und Schande und im sicheren Wissen seiner parteiinternen Gegner, dass so einer vom linken Flügel nichts reißen kann für die Sozialdemokratie im wirtschaftsaffinen Baden-Württemberg, wo sogar die Arbeiter mehr schwarz wählten als rot. Seither hatten Mitte-links-Pragmatiker das Sagen, wie Uli Lang, die smarten oder kämpferischen Aufsteiger wie Dieter Spöri und Ulrich Maurer, die glücklose, überforderte Ute Vogt und mit ihr eine ganze Corona von Männern, die sich alle für mindestens ministrabel hielten und Karriere machen wollten im Land- oder Bundestag. Selbst die Große Koalition von 1992 bis 1996 konnte nicht genutzt werden, um die Partei auf jene Überholspur zu bringen, auf der vor allem Maurer sich seine SPD viel zu lange hinträumte. Stattdessen kam – mit einem einzigen Ausreißer von 2001 dank Vogt – der kontinuierliche Abstieg: von 32,5 Prozent, die Eppler Anfang der 1980er zum Verhängnis wurden, auf 12,7 Prozent im März 2016.
Nach den Jahrzehnten des Niedergangs soll es jetzt Leni Breymaier richten, die aus ihrer Position klar links der Mitte keinen Hehl macht. Mit beherzten Auftritten hat sie sich dennoch immer hinters große Ganze gestellt, etwa im Herbst 2013, als bei der Basis für den mit der Union ausgehandelten Koalitionsvertrag auf Bundesebene geworben werden musste. Schon das Synonym für die 56-Jährige, das in bestimmten Parteikreisen mit leicht abschätzigem Unterton verwendet wird, sagt viel aus über den Zustand der Südwest-SPD: Gewerkschafterin. Das ist für viele kein Pluspunkt mehr, sondern riecht eher nach Vorgestern. Und dass sie eine andere Steuer- und Rentenpolitik durchsetzen will, eine linkere eben, trägt ihr in gewissen Parteikreisen ebenso hochgezogene Augenbrauen ein wie ihr Beharren auf mehr Geschlechtergerechtigkeit, konkret auf einer Änderung des Landtagswahlrechts.
Mit Breymaier hätten sich die, denen diese ganze neue Richtung nicht passt – manche davon wollen sich selber aufsparen für bessere Zeiten –, gerade noch abgefunden. Aber seit sie, das traditionelle Recht einer (designierten) Vorsitzenden nutzend, Boos für das Amt der Generalsekretärin präsentierte, ist Feuer unterm Dach. Geschürt von Männern, die genau wissen, dass sie damit der neuen Nummer eins schaden. Die einen wollen genau das, andere nehmen es billigend in Kauf. Wie würde Breymaier dastehen, fiele ihre Kandidatin auf dem Parteitag am 22. Oktober in Heilbronn durch? Es wäre ein Desaster.
Boos' GegnerInnen sind – jedenfalls bisher – nicht bereit, offen für ihre Vorstellungen einzutreten. Weil es leichter ist, hintenrum Stimmung zu machen. Brüsk sei die zur Mitte hin neigende Landtagsfraktion übergangen worden bei der Nominierung der Generalsekretärin, schreibt die "Südwest Presse", die die künftige Vorsitzende auf falschem Kurs sieht und Boos für ein unbeschriebenes Blatt hält. Kein Wort zu ihrem Werdegang in Südbaden, kein Wort über ihre Erfolge bei den Kommunalwahlen, schon gar nicht über ihr Ehrenamt im Landesfrauenrat. Der agiert als Dachverband bekanntlich für nicht weniger als zwei Millionen Mitglieder im Land. Die 31-Jährige, die für den Sohn ihr Examen in Politik und Soziologie erst einmal hintangestellt hat, sitzt im Vorstand und ist für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. "Aber das weiß ja keiner", reagiert einer der Skeptiker spontan auf diese Mitteilung, gerade so als wäre diese Funktion in anderen – kirchlichen, sportlichen oder wirtschaftlichen – Zusammenhängen bei einem Mann nicht ein Befähigungsnachweis oder zumindest positiv hervorzuheben.
4 Kommentare verfügbar
Schwabe
am 08.10.2016Das Frauen die gleichen Chancen bekommen wie Männer…