Früher reagierte Winfried Kretschmann umgehend, wenn ihm ein gravierender Fehler unterlaufen war. In einer Landtagsdebatte 2004 ereiferte er sich, weil die CDU Spitzenpositionen bei landeseigenen Unternehmen ohne öffentliche Ausschreibung vergeben wollte. Als Ministerpräsident Erwin Teufel eine lange Liste von Namen aufzählte, die in früheren Jahren ebenfalls handverlesen nach Parteibuch in Amt und Würden bei landesbeteiligten Unternehmen gekommen waren, platzte dem Grünen der Kragen. "Was macht das besser? Nichts macht es besser!", polterte er los. Solchen Verfahren müsse endlich ein Ende gesetzt werden, weil sonst, "ich sage es jetzt einmal drastisch, Gaunereien mit Gaunereien legitimiert werden können". Die CDU-Fraktion tobt, Kretschmann nimmt den Begriff Gaunereien in einer persönlichen Erklärung "mit Bedauern" und eingezogenen Schultern zurück. Die geplanten Besetzungen, räumt er ein, seien schließlich nichts Illegales und er selbst übers Ziel hinausgeschossen. Das tue ihm leid.
Es wäre besser gewesen, der Ministerpräsident hätte sich – beim Stichwort Personal in den Verhandlungen mit den Schwarzen – erinnert an die bewegten Wochen vor zwölf Jahren und sein hartes Urteil, als Teufel zwei Minister loswerden wollte: Thomas Schäuble (Innen) wurde Chef der Rothaus-Brauerei und Friedhelm Repnik (Soziales) übernahm die Staatliche Toto-Lotto-Gesellschaft. Da sei, kritisierte Kretschmann mehrfach, nicht "nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung verfahren worden". Die Ausschreibung dieser und all der anderen Posten bei Unternehmen im Landesbesitz oder zumindest mit Landesbeteiligung sei eine "Frage von politischer Kultur". Weil nicht angehe, "dass solche hochdotierten Jobs zur Beute einer Partei werden".
Kretschmann kann sich das "auch nur vortragen lassen"
Jetzt machen die Grünen Beute. Die "Tugendhüter von gestern" (FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke) entschuldigen die eigenen Gaunereien, wie Kretschmann "jetzt einmal drastisch" sagen würde, mit jenen der Vorgängerregierung. Und der Regierungschef gibt den solchen Irrungen und Wirrungen Enthobenen. Als sich bei der allwöchentlichen Regierungspressekonferenz einige Fragesteller nicht zufrieden geben wollen mit seinen abwiegelnden Antworten, entfährt dem leicht genervten Regierungschef ein verräterischer Satz: "Was habe ich mit diesen Menschen zu tun? Ich kann mir das auch nur vortragen lassen!"
Natürlich könnte und müsste er mehr tun. Aber Kretschmann geht die Frage ganz grundsätzlich an, führt aus, dass er ordnungspolitisch noch nie Anhänger von Unternehmen in Landeshand gewesen sei. Nur, wenn es die schon gebe, dann wolle das Land auch Einfluss nehmen, "nach dem Mehrheitsprinzip durch die Regierungsfraktionen". Und deshalb würden Posten "in der Regel mit Leuten aus dem Regierungslager besetzt". Als Politprofi müsste er allerdings wissen, dass die Vergabe nach Parteibuch, bei aller Qualifikation, kritisch beäugt wird. Hinter den Kulissen gärt es in seiner Partei jedenfalls gewaltig, gerade weil eigene Mitglieder betroffen sind.
14 Kommentare verfügbar
Schwabe
am 08.10.2016"Dagegen hilft nur ein Rätesystem - Bezeichnungen sind Schall und Rauch - eine Regierungsform mit jederzeitiger Abwahlmöglichkeit der Mandatsträger. Wer hilft denn mit, ein solches System zu etablieren?"
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