"Ein Observationsprotokoll des amerikanischen Militärgeheimdienstes Defense Intelligence Agency (DIA) legt nahe", steht im Dezember 2011 im "Stern" zu lesen, "dass Beamte deutscher Verfassungsschutzbehörden Zeugen der Schüsse auf Michèle Kiesewetter und ihren Kollegen, wenn nicht sogar in den Vorfall verwickelt waren." Eine Kopie des Papiers liege dem Magazin vor, schreibt Autor Rainer Nübel. Der "Contact Report" protokolliere eine Observation am 25. April 2007 in Heilbronn. Und weiter: "Neben dem Berichterstatter und einem Kollegen der DIA Spezialeinheit 'SIT Stuttgart' (Special Investigation Team), das sich vor allem in Süddeutschland um islamistische Bedrohungen gegen amerikanische Streitkräfte kümmert und engen Kontakt zu deutschen Sicherheitsbehörden hält, weist das Papier als Teilnehmer auch zwei Beamte des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg oder Bayern aus." Aus dem recherchierten Sachverhalt ergibt sich die Frage, ob "die junge Polizistin und ihr Kollege" einer geheimdienstlichen Operation in die Quere gekommen seien. "Etwa bei einer Personenkontrolle, für die sie im Rahmen des damaligen Einsatzkonzepts 'Sichere City' Streife fuhren?", will Nübel wissen.

Die Antwort steht bis heute aus. Auf jeden Fall hat der "Stern" jede Menge Staub aufgewirbelt. Im fast 1400 Seiten starken Abschlussbericht des NSU-Ausschusses im Bundestag ist den "ersten Reaktionen" ein eigenes Kapitel gewidmet. Nübel hatte sich dazu schon im ersten baden-württembergischen Anlauf als Sachverständiger zur möglichen Anwesenheit von Islamisten geäußert, zu seiner Veröffentlichung und dazu, dass "auf der Homepage eines Senders der Bericht eines einzelnen Journalisten erschienen" sei, dem man "glaube ich, nicht zu nahe tritt, wenn man sagt, dass er einen regen Kontakt zur Bundesanwaltschaft und zum Bundeskriminalamt hat". Diesem Bericht zufolge handelte es sich bei dem Protokoll um eine Fälschung. Wie man in dieser kurzen Zeit eine entsprechende investigative Recherche führen könne, fragte Nübel weiter und erinnerte an eine Geschichte von "Spiegel online" mit der Überschrift "Bundesanwaltschaft beendet Spekulationen um FBI-Aktion". Bis zu diesem Zeitpunkt sei aber "in keiner Sekunde" irgendwo vom FBI die Rede gewesen.
Mögliche Zeugen zur FBI-Spur
Im Herbst 2012 erklärte der Generalbundesanwalt die Überprüfung von Protokoll und näheren Umständen für beendet. Damit haben sich die Berliner Ausschussmitglieder ebenfalls befasst. "Die Herkunft des vom Verlag Gruner + Jahr AG & Co KG vorgelegten Observationsprotokolls sei nicht zu klären gewesen", heißt es in deren Abschlussbericht vage. Angehörige des US-amerikanischen Militärs hätten jedoch angegeben, dass "das Papier sowohl in der Aufmachung als auch vom Inhalt sowie der Schreib- und Ausdrucksweise nicht den US-amerikanischen Vorschriften im militärischen Bereich entspreche".
Vom Bundestagsausschuss gehört worden ist der Zeuge R. K., der zum Auftakt am kommenden Montag dem neuen Gremium in Stuttgart Rede und Antwort stehen soll. Einer Vorladung für den ersten Ausschuss war er immer wieder ausgewichen, unter anderem mit Hinweis auf seinen Gesundheitszustand. Jetzt wird eine Anreise im Krankenwagen diskutiert. Immerhin hat er sich mehrfach in Widersprüche verstrickt und das Observationsprotokoll als Fälschung bezeichnet. Tatsächlich, urteilten die Berliner Abgeordneten, sei das Verhältnis zwischen K. und den von ihm benannten Angehörigen US-amerikanischer Dienststellen in Deutschland durch arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen belastet. Weil er in deren Verlauf aus dem Dienst der US-Armee entlassen worden sei, sei nicht auszuschließen, dass dieser Umstand zu Aussagen geführt habe, welche die jeweils andere Seite belasten solle.
Alles Spekulationen, sagen die Kritiker der bisherigen Arbeit in den Untersuchungsausschüssen, wenn die Sprache auf die Amerikaner kommt. So ist völlig unstrittig, dass am 25. April 2007 um 13 Uhr und fünf Minuten ein BMW auf der A 6 im Bereich Heilbronn geblitzt wurde. Das Auto war, wie die US-Botschaft auf eine Anfrage des Bundeskriminalamts Anfang Januar 2012 mitteilte, auf einen Unteroffizier der Army zugelassen, der aber längst aus dem Dienst ausgeschieden war und inzwischen in Dunedin in Florida lebte. Eine Erklärung, mit der sich auch der Stuttgarter Ausschuss in seiner 33. Sitzung im vergangenen November zufriedengab, als ein BKA-Beamter gehört wurde. "Schmierenkomödie", urteilte daraufhin Radio "Dreyeckland". In derselben Sitzung trat der Zeuge Peter Rudolf Litzel auf, der 40 Jahre für den Militärgeheimdienst DIA tätig war und das Protokoll ebenfalls als Fälschung bezeichnete.
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andromeda
am 22.09.2016