Die Szene erinnerte an einen Kindergeburtstag, wenn der Schenkende unbedingt die dankbare Begeisterung des Beschenkten über den großen, bunten Bagger erleben will. "Jetzt müssen Sie aber noch sagen", stupste Winfried Kretschmann den schwarzen Strobl an, als alles ausverhandelt war, "welche Ministerien Sie haben". Folgsam zählte der designierte Vize-Regierungschef auf: Innen, Kultus, Wirtschaft, Agrar, Justiz. Vor fünf Jahren war die Verblüffung groß, weil der größere dem kleineren Partner SPD nicht weniger als sieben Ministersessel zugestanden hatte. Diesmal dürfen sich die Grünen als Sieger im Verteilungspoker sehen. Selbst wenn viele ihrer neuen direkt gewählten Abgeordneten aus dem ländlichen Raum es gerne gesehen hätten, wenn das publikumswirksame Agrarministerium nicht zur CDU gewandert wäre. Allerdings kann der alte und neue Regierungschef darauf verweisen, dass es vergleichsweise abgespeckt wurde: Der Naturschutz wandert in Franz Unterstellers Umweltministerium.
Überhaupt der Landesübervater. Als zum Auftakt der förmlichen Gespräche das ZDF Kretschmann im "Politbarometer" zum beliebtesten Politiker der Republik ausrief, fragte der mit großen Augen: "Und was bringt mir das jetzt in den Verhandlungen?" Inzwischen kann er sich die Frage selber beantworten: Vor lauter Liebe und Bewunderung für den Triumphator des 13. März ist die Stimmung im eigenen Laden so, dass kritische Stimmen praktisch nicht mehr vorkommen. "Saßen überhaupt Grüne in den Verhandlungsrunden innere Sicherheit am Tisch?", klagt einer auf Facebook. Alle wichtigen Punkte im Polizeibereich (zweigeteilte Laufbahn, die Abschaffung von freiwilligem Polizeidienst und mittlerem Dienst) seien über Bord geworfen. Solche Kritik versandet sich spur- und folgenlos, was an ihrer Richtigkeit nichts ändert.
Im Wahlprogramm war jedenfalls beschlossen, der Videoüberwachung klare Grenzen zu setzen und der Polizei das neue Leitbild der Bürgernähe zu verordnen – dank "dialogorientierter Polizeikultur". Und natürlich sollte – endlich – die anonymisierte Kennzeichnung bei Großeinsätzen kommen, der Apparat insgesamt "multikulturell geöffnet" und Lesben und Schwule im Dienst vor Diskriminierung geschützt werden. Außerdem hätte die Partei gern den Verfassungsschutz "auf der Basis einer umfassenden Aufgabenkritik von Grund auf neu aufgestellt" gesehen. Im Koalitionsvertrag findet sich davon nichts mehr wieder. Stattdessen dürfen sich die Schlapphüte freuen, als ein "Frühwarnsystem der Demokratie" gerühmt zu werden, das "bedarfsgerecht" ausgestattet werden soll. V-Leute, auf die die Grünen angesichts der trüben Erkenntnisse aus dem NSU-Ausschuss "weitgehend verzichten" wollten, bleiben im Koalitionsvertrag unerwähnt, dürfen also mit Sicherheit weiterarbeiten.
9 Kommentare verfügbar
Klaus
am 10.05.2016Bei allem, was früher 'heilig' war, macht man sich nun ungeniert - m.E. mit - schuldig: Daten, Verkehr, Natur, Lebensmittel, Flüchtlinge, Asylverfahren, Ausländerpolitik im Stuttgarter Raum,
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