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Staubsauger und Moos

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Dass die hiesige Politik in Sachen Feinstaub jahrelang geschlafen hätte, ist nicht ganz richtig. Im Gegenteil, vielmehr kannte die Kreativität bei der Suche nach immer neuen Placebo-Maßnahmen kaum Grenzen. Eine kleine Chronik, oder: Nonstop Nonsens.

Die Wirkungen des Feinstaubs auf den Menschen sind ja bekanntermaßen nicht sonderlich erquicklich. Zu fein, um nach dem Einatmen einfach herzhaft ausgeniest zu werden, macht er es sich in den Bronchien bequem und richtet von dort aus allerlei Unheil an, fördert Lungenkrebs, Asthma, Diabetes, Herzerkrankungen und Schlaganfälle.

Offensichtlich regt er aber auch die Kreativität von Politikern an, zumindest indirekt, wenn es um Maßnahmen zu seiner Bekämpfung geht, im Besonderen in Stuttgart. So schlug im Juni 2005 die FDP-Landtagsabgeordnete Heiderose Berroth, immerhin als umweltpolitische Sprecherin ihrer Fraktion, bei einer Plenarsitzung vor, am Neckartor "einen Staubsauger zu installieren, der dann die Luft filtert". Das meinte sie, trotz im Protokoll vermerkter Heiterkeit bei der SPD, durchaus ernst.

Andere Wege, aber ebenso aus der Sphäre des Hausputzes und der Kehrwoche entlehnt, versuchte die Stadt Stuttgart erstmals im November 2006 zu gehen: Eine spezielle Feinstaub-Kehrmaschine mit Keramikfilter wurde erprobt, denn, so der Leiter der damalige Abfallwirtschaft Stuttgart, Manfred Krieck, "erfahrungsgemäß liegt der Feinstaub vor allem am Fahrbahnrand und auf dem Gehweg". Nun, zumindest dann, wenn er nicht gerade durch die Luft weht.

Über den Ausgang des Versuchs liegen uns keine Erkenntnisse vor, er muss wohl ernüchternd gewesen sein, denn im Januar 2010 wurde wieder eine neue Technik ausprobiert: Statt ihn zu entfernen, sollte der gefährliche Stoff nun fixiert werden, mittels Feinstaubkleber auf der Fahrbahn. Die Wiederaufwirbelung des Feinstaubs, so erklärte seinerzeit das Regierungspräsidium, solle verhindert werden, denn ein Drittel des Feinstaubs entstehe durch Hochschleudern bereits abgelagerter Partikel. Besagtes Drittel zeigte sich leider unbeeindruckt, auch dieser Versuch erwies sich als wirkungslos.

Auch die Einführung einer Umweltzone und entsprechender Plaketten ab 2008, gemessen an ihrer Strenge als Ökostalinismus mit pendlerfreundlichem Antlitz zu werten, brachte keine ausreichende Reduzierung an Grenzwertüberschreitungen. Aufgrund dieses Missstands erörterten 2009 einige Mitglieder des Stuttgarter Gemeinderats, einfach die Feinstaub-Messstelle an eine weniger belastete Stelle zu verlagern.

Die pfiffige Idee wurde erst nicht weiterverfolgt, kam aber Mitte Mai 2012 in vom Regierungspräsidium fantasievoll abgewandelter Form wieder auf die Gemeinderats-Agenda: Nun sollte zwar nicht die Messstelle verlagert, dafür der aus Bad Cannstatt kommende Verkehr mittels einer "Aufstau-Ampel" an anderer Stelle gestoppt werden, um dann umso flüssiger und schadstoffärmer an der Messstelle vorbeizufahren.

Auch dieser Vorschlag fand nicht die Gnade der Gemeinderatsmehrheit, doch die Debatte darüber und das Schicksal der nahe dem Neckartor wohnenden Menschen spornten den CDU-Fraktionsvorsitzenden Alexander Kotz zu kreativen Höhenflügen an: Man frage sich, so Kotz, ob "in den Häusern dort Menschen wohnen müssen". Sein revolutionärer, alle bisherigen Lösungsansätze auf den Kopf stellender Gedanke war ohne Zweifel bestechend: Wenn die Stadt oder Teile davon nicht so leicht bürgerfreundlich gemacht werden können, dann müssen eben die Bürger weg. Will sagen, woandershin.

Auch Kotz' angedachte Umsiedlungsmaßnahmen wurden nicht weiterverfolgt, spätestens mit Beginn der Flüchtlingskrise wären sie wohl auch an ihre Grenzen gestoßen. Stattdessen wurde zuletzt im Gemeinderat über florale Ansiedlungsmaßnahmen diskutiert, genauer, das Aufstellen von Mooswänden entlang stark belasteter Straßen. Moose seien sehr effektiv beim Reinigen der Luft von Schadstoffen, haben Wissenschaftler herausgefunden, zwischen zehn und 30 Prozent des Feinstaubs der Umgebung könnten sie herausfiltern. Angesichts der üblichen Stuttgarter Werte bleibt da staubtechnisch noch viel Luft nach oben, aber für einen ersten Feldversuch steht ab 2017 nun eine 100 Meter lange Mooswand an der Cannstatter Straße. Und dann wird erst mal gemessen. Und sollte das eher hitzeempfindliche Moos die kuscheligen Stuttgarter Kesseltemperaturen überleben, heißt es vielleicht irgendwann: Feinstaub, zieh dich warm an.


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2 Kommentare verfügbar

  • Rainer Daeschler
    am 29.04.2016
    Antworten
    Warum so kompliziert? Einfach Plastiktüten über die Messfühler ziehen. Die gibt es zum Preis von 10 Cent das Stück bei einem bekannten Discounter und würden sicher auch kostenlos zur Verfügung gestellt werden, wenn man sie so drapiert, dass das Firmenlogo weithin erkennbar bleibt.
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Ausgabe 709 / Bedeckt von braunem Laub / bedellus / vor 1 Tag 52 Minuten
Schön! Danke!



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