"Stuttgart 21", erinnerte sich Drexler vor der Volksabstimmung von 2011, "hatte über gut zehn Jahre lang fast alle in der Bevölkerung hinter sich." Das wahre Problem sei gewesen, "dass diese Zustimmung nicht gepflegt und mit den Gegnern nicht anständig diskutiert worden ist", gerade über Alternativplanungen. Nur: "Einen Kompromiss hätten wir nicht bieten können." Solche und andere, manchmal reichlich verwegene Sätze – "Überall wurde gebaut, nur bei uns nicht", "Das Projekt ist unumkehrbar", "Ein Ausstieg wäre unfinanzierbar" – bescherten ihm die Rolle des Buhmanns nicht zuletzt unter sozialdemokratischen Neinsagern. Eine Kurskorrektur kam für ihn dennoch nie in Frage. "Wenn man für eine Sache ist, dann sollte man dafür hin stehen und nicht wegtauchen", sagte er 2009 bei seiner Ernennung zum ehrenamtlichen Projektsprecher. Damit war er endgültig unten durch beim Widerstand.
Paradoxerweise punktet er jetzt im NSU-Ausschuss – zumindest auch – mit genau den Eigenschaften, die Gegner und Gegnerinnen auf die Palme brachten und bringen und ihn bei Montagsdemos in der ersten Reihe der Übeltäter landen ließen, ganz vorn neben Stefan Mappus und sonstigem "Lügenpack". Drexler ist hartnäckig, strategisch, schlitzohrig, für jede Art der Dämonisierung ungeeignet, und er hat eine Menge Erfahrung im Politikbetrieb. Zudem weiß er für gewöhnlich ziemlich genau, wovon er spricht, und es dauert, bis er wirklich aus der Haut fährt. "Wir bewerten die bisherige Arbeit positiv", heißt es im offenen Brief der "Anstifter" nach 20 Sitzungstagen schnörkellos. Anfangs gaben viele Skeptiker keinen Pfifferling darauf, dass dieser Ausschuss Sinnvolles zutage fördern würde. Das Vorurteil ist im Realitätstest durchgefallen, dank eines Vorsitzenden, der keine halben Sachen macht. Einmal pflanzt sich der Vater des toten rechten Aussteigers Florian Heilig vor ihm auf und bedankt sich für so viel Ernsthaftigkeit. "Das haben wir nicht mehr erwartet", bekennt er draußen bei einer Zigarettenpause, der Herr Drexler sei "ein Lichtblick".
Jedenfalls ist er ein "Homo politicus", sitzt seit 1971 im Esslinger Kreistag, seit 1975 im Gemeinderat und seit 1988 im Landtag. Von 1983 bis 2001 war er Chef der SPD in der alten Reichsstadt und damit des mitgliederstärksten Ortsvereins im ganzen Land, er ist bei Wahlen regelmäßig Stimmenkönig und sticht sogar CDU-Konkurrenten aus. Er hat seinen Enthusiasmus, seinen Elan, seine Neugier nicht verloren, wiewohl er manche Themen schon seit Jahrzehnten beackert. Früh hat er sich für die Reform des Schulsystems eingesetzt, für mehr Kinderbetreuung, für das Solarland Baden-Württemberg und höhere Steuern für Reiche. Er kämpfte gegen den Ausbau des Flughafens, entwickelte daraus auch seine Zustimmung zu Stuttgart 21: "In Leinfelden-Echterdingen geht nichts mehr, das Straßennetz ist sehr verdichtet, also müssen wir das umweltfreundlichste Verkehrsmittel, die Bahn, ausbauen, aus Verantwortung für die nächste und die übernächste Generation."
Auch als Aufklärer hat Drexler seine Verdienste
Drexler ist ein Aufklärer, längst nicht erst, seit er den NSU-Ausschuss führt. Er stocherte so lange im Finanzgebaren der landeseigenen Südwestdeutschen Verkehrs-AG (SWEG) herum, bis CDU-Minister Hermann Schaufler anno 1998 seinen Hut nehmen musste. Für die Aufklärung bei FlowTex, die am Ende zwei weitere, diesmal FDP-Minister das Amt kostete, stritt der immer rührige Sozialdemokrat schon, als die Milliarden-Causa um gar nicht existente Bohrmaschinen in Zeitungskommentaren noch klein- und der Begriff Skandal in Anführungszeichen geschrieben wurde. "Ich will bei den Menschen sein", bekennt er auf die Frage nach seinem Antrieb. Anfang der Neunziger, als die Zuwanderungszahlen noch höher waren als heute, schläft er eine Nacht in einem Esslinger Aussiedler-Wohnheim. Anderntags schenkt ihm ein ehemaliger russischer Eishockey-Trainer seinen Originalschläger, weil ein Politiker "nicht mit Kameras, sondern mit Herz gekommen ist".
24 Kommentare verfügbar
Barolo
am 08.06.2015Ich bin nur gegen Nebelkerzen, d.h. unnötige Vorladungen von Leuten die zwar in einem bestimmten Mileu sind, aber zur Aufklärung einer konkreten Straftat (Kiesewetter) nichts wesentliches beitragen…