Das hätte sich Martin Wilhelm nicht träumen lassen: Dass einmal alle baden-württembergischen Verlegerkollegen auf seine kleine "Heidenheimer Zeitung" schauen. Zumindest die, die "Sonntag Aktuell" vom Pressehaus beziehen. Das sind derzeit knapp 30, von der "Waiblinger Kreiszeitung" über die "Südwestpresse" bis zum "Mannheimer Morgen". Zum Jahresende 2014 hat der Verleger der "Heidenheimer Zeitung" den Vertrag mit den Stuttgartern gekündigt und tröstet seine Abonnenten seitdem mit einer aufgepeppten Samstagsausgabe. Das spare die Austrägerkosten am Sonntag und zufrieden seien die LeserInnen sowieso nicht mit der seit 2009 abgespeckten Sonntagszeitung: "'Sonntag Aktuell' verlor vor einigen Jahren seine eigene Redaktion, und der Mantelteil fand seine Rolle nicht so recht", so Verleger Wilhelm in der eigenen Zeitung.
Damit brechen "Sonntag Aktuell" knapp 20 000 seiner Auflage weg, die einst bei über einer stolzen Million lag und derzeit noch bei 570 000 liegt. Das wäre für die einst prächtige Sonntagszeitung wohl zu verschmerzen. Doch die Entscheidung an der Brenz ist ein wichtiges Signal. Wenn die LeserInnen nicht aufschreien, weil der Sonntag nun zeitungslos bleibt, können auch die restlichen Gesellschafter auf den teuren Sonntagsmarkt verzichten, ohne ihre Abonnenten zu verprellen. Die dortige SPD mit Kultusminister Andreas Stoch hat zwei Wochen gebraucht, um das Sonntags-Aus überhaupt zu bemerken. Heidenheim ist ein Versuchsballon, der im Stuttgarter Pressehaus genau beobachtet wird – und die Entscheidung vom Sonntag auf den Samstag forciert. "Sonntag Aktuell" – ein Auslaufmodell?
Samstag sticht Sonntag
Den Grund für eine "Neubewertung" erläuterte der Geschäftsführer der Medienholding Süd, Martin Jaschke, den alarmierten Redakteuren der "Stuttgarter Nachrichten" bei einer Betriebsversammlung kurz vor Weihnachten 2014. Wieder einmal wird über fehlende Gewinne geklagt: Das frühere Geschäftsmodell funktioniere nicht mehr. Die Anzeigen gingen zurück, der Sonntagsvertrieb sei teuer, jetzt drohe auch noch der Mindestlohn, mit dem Blatt sei kein Geld mehr zu verdienen. Nun, so Jaschke, würden verschiedene Projekte ausgearbeitet, dann gebe es eine Marktforschung, dann entscheide die Gesellschafterversammlung. Vorbild sei die "Süddeutsche Zeitung", die auch zur SWMH gehört und die seit ihrem Relaunch vor wenigen Wochen samstags eine erweiterte Ausgabe mit Lesestoff bietet, den Reiseteil am Donnerstag bündelt und am Sonntag mit einer Bezahl-App den Sport präsentiert.
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Ulrich Frank
am 24.02.2015