Einigen unserer Soli-Abonnenten und Spendern wird es im Moment zumute sein wie Winfried Plesch aus Schriesheim. "Ich muss sagen, ich bin entsetzt!", schrieb der am 8. Februar empört an die Postbank. "Was ist denn in euch gefahren?" Der Grund für seinen Unmut: Bisher hat Plesch seine Überweisungen immer auf Papier getätigt. "Zu Hause in aller Ruhe den Überweisungsträger ausfüllen, in einen Postgirobriefumschlag stecken und diesen Postgirobrief in den Briefkasten um die Ecke werfen." Klingt gemütlich, war aber mal. Denn ab dem 1. April 2015 gilt für viele Postbank-Kunden: nix umsonst, nur der Tod und Online-Banking.
Aber Winfried Plesch ist ein gutes und nachahmenswertes Beispiel dafür, wie Einspruch durch den Normalverbraucher gegen Willkür eines Dienstleistungsanbieters tatsächlich ab und zu fruchtet.
Der Schriesheimer ist derzeit Nutzer des Postbank-Kontomodells "Giro Plus". "Giro Plus", das bedeutete bisher kostenlose Überweisungen samt kostenloser Briefumschläge zum Überweisung-Reinstecken frei Haus. Vorbei die schöne Zeit.
Denn ab April zahlt 99 Cent pro Überweisung, wer bei "Giro Plus" das Geldausgeben mit echtem Papier verbindet, verkündet der Bonner Konzern Ende Januar und verweist seine Kundschaft auf sein Online- oder Telefonbanking-Angebot, begleitet von Empörung in Medien, Verbraucherzentralen und im Plesch'schen Haushalt.
"Das allseits gelobte 'Feature' des Postgirokontos wollt ihr nun mit dieser Wegelagerermentalität zum Wucherpreis von EINEM EURO (okay, 99 Cent) auf der Schlachtbank der betriebswirtschaftlichen Optimierung der Gewinne opfern?" Papierüberweisungen seien halt teuer, sagt Ralf Palm, Pressesprecher der Postbank. Immerhin würden noch 3,9 Prozent aller insgesamt fünf Millionen Postbank-Giro-Kunden Papierüberweisungen nutzen. Das sei bei ein paar Milliarden Überweisungen pro Jahr schon ganz schön viel Holz und Postbank-Backoffice-Mitarbeiter hätten auch ohne Dechiffrierung unleserlicher Handschriften eine Menge zu tun.
Winfried Plesch hat also in die Tasten gegriffen. "Ich werde auf jeden Fall mein Girokonto unter den Arm nehmen und es zur Bank am Ort tragen, wenn ihr bei diesem Anschlag auf die Kundenfreundlichkeit bleibt", schreibt er der Bank. "Denkt bitte noch mal nach! ... Mit freundlichen Grüßen in Hoffnung auf eure Vernunft." Wenig später kam die Antwort aus Bonn: "Gerne haben wir aus Kulanz Ihr Konto für Sie freigestellt." Ausnahmsweise keine Kosten bei Überweisung per Papier, ergo kein Online- oder Telefonbanking-Zwang. Ein kleiner Sieg des Kunden über einen großen Konzern. Wie viele Einsprüche bisher eingegangen seien, ließe sich nicht beziffern, sagt Postbank-Pressesprecher Palm. Schon ein paar jedenfalls, und bei jedem einzelnen würde die Situation des Kunden geprüft.
Winfried Plesch ist seit 40 Jahren Postbank-Kunde. Damals war ein Handy fast so groß wie ein Fernseher, und an der Uni Karlsruhe hatte man gerade voller Freude die erste deutsche E-Mail empfangen. Plesch ist sozusagen Relikt einer völlig Online-Banking-freien Zeit. Und 40 Jahre, fand selbst die Bank, sind schon ein Wort.
Außer Kundenbindung können auch Faktoren wie Alter oder Entfernung zur nächsten Postbankfiliale Gründe zur Gebühren-Freistellung sein, erklärt Palm, denn Omas und Opas wolle man ja nicht ans Internet zwingen oder ewig anreisen lassen.
So bleiben also für alle Sparfüchse, Widerständler und Freiheitskämpfer unter den Kontext-Unterstützern zwei Möglichkeiten der Gebührenbefreiung: Einspruch, wie von Winfried Plesch vorgemacht. Oder das Örtchen Wieden im Landkreis Lörrach. Viel Grün, ein Paar Ziegen, kaum Internet für Online-Banking, kaum Handy-Empfang für Telefonüberweisungen (<link http: www.kontextwochenzeitung.de gesellschaft auf-nummer-abhoersicher-1844.html _blank>Kontext berichtete). Und weit und breit keine Postbank-Filiale. Ein wahres Paradies für Papierüberweiser.
22 Kommentare verfügbar
Winfried Plesch
am 24.02.2015"Ein zweiter Aspekt neben der ausgebremsten Kundenfreundlichkeit ist mir genauso wichtig. Dabei glaube ich, dass es mir ähnlich geht wie vielen gutmeinenden Mitbürgern und…