Wegschauen und weglesen: Goethe hat die Seelenruhe des Spießers auch in der damaligen Zeit von Kriegen und Katastrophen unnachahmlich im "Faust" in Worte gefasst: "Wenn hinten, weit, in der Türkei die Völker aufeinander schlagen ..." Das war die scheinbare Lösung, um sich damit abzufinden, wie geschützt sich viele Zeitgenossen fühlten in ihrer Bierruhe. Es kam noch hinzu, dass alle Nachrichten nur mit unterschiedlich großer Verzögerung in die Öffentlichkeit drangen, höchstens von fantasiereichen Zeichnungen oder Stichen untermalt. Das schonende Filter war also groß.
Heute stürzt uns alles von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde, von Minute zu Minute ins Haus, in vielen Fällen durch die aktuelle Fernsehberichterstattung vom Ort des Geschehens aus quasi zeitgleich, und wenn wir nicht sofort ausschalten, sind wir den Bildern ausgeliefert, auch wenn sie dadurch oft schon redaktionell "aufbereitet" erscheinen. Wer es nicht für sich selbst dosieren lernt, erliegt der Überschwemmung.
Was dagegen tun?
Wegschauen und weghören, oder weglesen, auf Gleichgültigkeit schalten, immer wieder entsetzt sein oder empört, oder Partei ergreifen, als ein Wut und Ohnmacht kanalisierendes und entlastendes Scheinhandeln? Den Schrecken aufnehmen, ohne zu wissen, wo er in der Seele, wissend oder im Unbewussten, sich sammelt und häuft? Sich der Resignation ergeben, ihn in die Träume mitnehmen, diskutieren mit Freunden zur Entlastung? Aber auch: sich einer Schreckens- und Grausamkeits- und Zerstörungsneugier überlassen, ja sie sogar zu suchen, weil sie inneren Zuständen und Konflikten entsprechen? Mitleiden oder mitschauern, je nach der Perspektive oder Identifikation: Täter oder Opfer oder beides gleichzeitig?
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Habnix
am 03.10.2014Lohnabhängig und ohne Lohntüte und nur ein Konto bei einer Bank ohne Bankgeheimnis, dann ist das so als wenn mein Portmonnaie bei der Bank irgend ein X-beliebiger Dritter hat, den ich nicht kenne und jeder Gangster sieht rein ob…