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"Queen Bees"

Seichtstellen als Trostspender

"Queen Bees": Seichtstellen als Trostspender
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In der Komödie "Queen Bees" spielt Ellen Burstyn eine Witwe, die in ein Luxus-Seniorenheim zieht. Eine Geschichte, die das Altern leichtnimmt und es sich dabei ein bisschen zu leicht macht.

"Trost ist zwischenmenschliche Zuwendung an jemanden, der trauert oder anderen seelischen bzw. körperlichen Schmerz zu ertragen hat." Die Wikipedia-Definition fährt fort: "Der Schmerz und die Traurigkeit des Getrösteten sollen gelindert werden; er soll spüren, dass er nicht allein gelassen ist; seine seelische Verfassung soll gestärkt werden." Der Trost könne "durch Worte, Gesten und Berührung gespendet werden." Aber auch, so fügen wir ergänzend hinzu, durch einen Film. Zum Beispiel einen wie "Queen Bees".

Es ist das Alter, das Helen (Ellen Burstyn) zu schaffen macht, und wohl auch der Schmerz, nach dem Tod des Mannes allein zu sein. Mit ihrer herrischen Tochter hat sie sich überworfen, deren Rat, in ein Seniorenheim zu ziehen, weist sie brüsk zurück. Die elegant frisierte und gediegen gekleidete Witwe glaubt, sie komme in ihrem großen Haus gut zurecht. Bis sie wieder mal den Herd anmacht, sich versehentlich aussperrt und zuschauen muss, wie die Feuerwehr nicht mehr alles retten kann. So zieht sie eben doch, nach eigener Meinung nur vorübergehend, in Pine Grove ein, einem Gebäudeensemble in Parklandschaft mit Pool-, Massage- und Yoga-Angeboten, das eher einem 5-Sterne-Wellness-Hotel gleicht als einem Altenheim. Hier gibt es statt eines tristen Fernsehraums sogar ein richtiges Kino!

In diesem Kino könnte man die Alterskomödie "Queen Bees" in Endlosschleife vorführen, so nett und brav und tröstlich ist dieser Film geraten. So altersgerecht auch das Tempo, so verständlich die Sätze, so überschaubar die Dramaturgie. In lichten Räumen mit hellem Holz, blankem Stein (wir vermuten mal: Marmor) und schön drapiertem Blumenschmuck versucht der bisherige Sit-Com-Regisseur Michael Lembeck ("Friends"), die dunkleren Seiten der Realität draußen zu halten oder sie, wenn sie sich doch mal regen, in warmes Dämmerlicht zu setzen und in noch wärmeren Dialogen abzuwehren. In der ersten Hälfte geht es um die Wer-darf-an-welchem-Tisch-sitzen-Hierarchien der Pine-Grove-Bewohner und um eine arrogante Clique, die sich als supercool versteht. Es gehe hier ja zu wie auf der High-School, bemerkt Helen, woraufhin ihr geantwortet wird: "Es ist schlimmer. Dort wartet man auf seinen Abschluss, wir warten auf den Tod."

Aber viel mehr Platz als in solch kurzen Anmerkungen wird dem Tod nicht eingeräumt. Der Film plädiert eben dafür, sich auch im Alter dem Leben zuzuwenden. Also weitermachen mit dem Konkurrenzgebaren, den Eifersüchteleien und den Geplänkeln mit der Cliquen-Anführerin Janet (Jane Curtin), von deren Feldwebel-Ton sich Helen nicht einschüchtern lässt. So wird sie selber zur Queen-Bee, also zur Bienenkönigin, und regiert mit am Bridgetisch. Doch so ganz hat der Regisseur die Spielfilmlänge noch nicht geschafft, sodass er in der zweiten Filmhälfte den altmodisch-charmanten Schwerenöter Dan (James Caan) ins Spiel bringt. Zeit also für Komplimente, Tanzstunden und eine neue Liebe. Und wir müssen zugestehen: Ellen Burstyn und James Caan, die beide auf große Hollywoodkarrieren zurückblicken können, gleiten mit Würde auch über die seichten Stellen dieser Geschichte hinweg.

Eher Old School als "80 ist das neue 18!"

Seichte Stellen? Nun ja, wenn man das Visier des Kritikers schärfer einstellt, sieht der ganze Film aus wie eine Ansammlung von Seichtstellen. "Das Alter ist nichts für Feiglinge", hat Bette Davis mal erklärt. "Queen Bees" aber drückt sich vor größeren Problemen herum und erfindet sich kleinere, um sie zu lösen. Übrigens liegt dieser Film im Wettbewerb Wer-ist-der-liebste-und-netteste-Enkel weit vorne. So ein toller Kerl (Matthew Barnes), immer nur lächelnd und dabei mit seiner Oma Helen, der ehemaligen Lehrerin, Zitate von Nelson Mandela oder Robert Frost austauschend. Andere Nebenfiguren agieren hart an der Karikatur, etwa der als Don Juan eingeführte – und tatsächlich angehimmelte! – Altstecher (Christoper Lloyd) mit dem augenrollenden Du-willst-es-doch-auch-Blick. Der kriegt schließlich die männermordende Margot, eine von den Queen Bees, gespielt von Ann-Margret, die hier an das Sexy-Girl-Image ihrer frühen Karriere anknüpft.

Ja, ist denn das nicht zu Old School? Anders gefragt: Ist das alles korrekt? Nun, was die Besetzung angeht, soll es schon geschlechtergerecht und sogar divers zugehen: Die Hauptpersonen sind ältere Frauen, mit dabei ist auch die Schwarze Sally (Loretta Devine), und in Nebenrollen als (eventuell schwuler) Masseur respektive als Six-und-noch-mehr-pack-Gymnastiklehrer agieren ein kleiner Filipino und ein großer Latino. Letzterer wird mal zu einer Strip-Einlage genötigt, die zu euphorischer Kreischreaktion führt. Fragen wie die, ob der sexualisierte weibliche Blick auf Männerfleisch mit Migrationshintergrund erlaubt ist oder ob er nicht zweifach diskriminiert, nämlich auch die Frauen, denen dieser Blick wohl nur zugestanden wird, weil sie schon alt sind – nun, solche Fragen sollte man hier lieber nicht stellen.

Solche Fragen sind viel zu komplex für einen Film, der es einfach haben will und es sich deshalb einfach macht. Und ja, wir haben richtig gehört, es fällt hier mal, nur leicht ironisierend, der Satz: "80 ist das neue 18!" Der Satz wird auch "bewiesen" durch eine wie ein Werbefilm wirkende Schaut-was-wir-Alten-noch-alles-können-Sequenz, in der eine Seniorin einen vierschrötigen Biker umhaut, der im Diner eine Handtasche geraubt hat. Es ist wohl kein Zufall, dass dieser Übelmann ein Proll ist, also einer ganz anderen Klasse angehört als unsere Heldinnen. So einer hat in der Welt eigentlich nichts zu suchen, und in der abgeschirmten Welt von Pine Grove kommt er auch gar nicht vor. Dort vertreiben sich nur alte Menschen ihre Zeit, die sich das leisten können. Ein Trostfilm, wie gesagt. Für einen eher kleinen Kreis zu Tröstender.


Michael Lembecks "Queen Bees" ist ab Donnerstag, 19. August in deutschen Kinos zu sehen. Welche Spielstätte den Film in Ihrer Nähe zeigt, sehen Sie hier, und hier den Trailer mit Filmausschnitten:


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