"Wenn Sie Uhlmännle sehen, sagen Sie ihm, dass es in Paris jetzt sehr schön ist", ließ Gottlob Dill, Richter und seit Kurzem stellvertretender Polizeikommissar Württembergs, am 23. März 1933 Fred Uhlman ausrichten. "Sagen Sie ihm: jetzt." Uhlmännle verstand: "Ich packte ein paar Habseligkeiten zusammen, besorgte etwas Geld und ohne dass ich mich von meinen Eltern verabschieden konnte, setzte ich mich in meinen Wagen und verschwand. So verließ ich mein Land und die Stadt, in der ich geboren wurde und zweiunddreißig Jahre meines Lebens verbracht hatte."
Bis dahin war Uhlman Rechtsanwalt gewesen. In seiner Kanzlei hatte vor der Reichstagswahl am 5. März 1933 die SPD-Führung getagt. "Gewerkschaftler, Abgeordnete und der Parteisekretär schliefen auf dem Boden, auf Stühlen und auf meinem Sofa. Die meisten von uns waren bewaffnet." Es half nichts: "Die Schlacht war sowieso verloren." Uhlman war ein enger Bekannter des SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher. "Ich traf ihn jeden Tag im Schlossgartencafé, zusammen mit meinem Freund Fritz Bauer" – dem späteren Generalstaatsanwalt und "Nazi-Jäger".
Mit dem SPD-Vorsitzenden, so Uhlman, konnte man nicht wirklich befreundet sein. "Schumacher war einer der besten Redner in Deutschland", schreibt er, "und konnte wie Goebbels und Hitler eine tausendköpfige Menge in Erregung versetzen." Er brannte für die Politik. "Er hatte ein Gesicht wie ein verschrumpelter Apfel, Lippen so dünn als wären sie mit einer Rasierklinge in sein Gesicht geschnitten worden und eiskalte grüne Augen. Man spürte seine Willenskraft und seinen unbedingten Glauben an die absolute Richtigkeit seiner Sache."
Duelle und Saufgelage bei der Burschenschaft
Uhlman war sich da weit weniger sicher. "Verglichen mit ihm war ich ein schwacher und unentschlossener Mensch", bekennt er. "Für mich war Politik nur ein Teil des Lebens, ein zwar notwendiger, aber ziemlich unangenehmer Teil." Zielstrebig war er niemals gewesen, dafür aber umso sensibler. Als es an die Berufswahl ging, hatte er zunächst "nur die ungefähre Vorstellung, dass ich eines Tages ein Dichter oder ein Theaterschriftsteller werden würde." Eine solche brotlose Kunst kam für seinen Vater, Textilhändler, überhaupt nicht in Frage. Er entschied, der Sohn solle Zahnarzt werden.
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