Wenig wusste Esther Walther bis zum Tod ihrer Großmutter 1987 von ihrem Großvater Oscar Bloch. Der Architekt war schon fünfzig Jahre zuvor bei einer Blinddarmoperation ums Leben gekommen. Bei der Auflösung der Wohnung ihrer Großmutter war eine Schachtel mit Fotos, Briefen und amtlichen Schriftstücken bei ihr gelandet, die sie sich jetzt erst genauer ansah. Darunter befanden sich Fotos von Häusern, die ihr Großvater gebaut hatte. Wo diese standen, wusste sie nicht.
Esther Walther ist Schweizerin wie ihr Großvater, der genau deshalb in der NS-Zeit nicht Mitglied in der Reichskammer der bildenden Künste sein musste und weiter bauen konnte, obwohl er jüdischer Konfession war. Ihre Großmutter Alice Bloch, geborene Rothschild, stammte aus der Region Stuttgart. Sie hat überlebt, weil sie als seine Ehefrau 1939 in die Schweiz emigrieren konnte.
Schließlich konnte Walther eines der Gebäude identifizieren: das ehemalige israelitische Waisenheim "Wilhelmspflege" in Esslingen, das heute nach seinem früheren Leiter Theodor-Rothschild-Haus genannt wird. Es war der erste große, prestigeträchtige Bau, den Bloch mit seinem ebenfalls jüdischen Partner Ernst Guggenheimer 1912/13 errichten konnte. Walther trat in Kontakt mit der Stolperstein-Initiative Bad Cannstatt und kam 2011 zum ersten Mal nach Stuttgart. Dort lernte sie auch den eben emeritierten Bauhistoriker Dietrich W. Schmidt kennen, der nun ein kundiges Buch über das Büro Bloch & Guggenheimer geschrieben hat.
Neu im Beruf, gezwungenermaßen
Rund 450 jüdische Architekten soll es vor 1933 in Deutschland gegeben haben. In Berlin gibt es eine Gesellschaft zur Erforschung des Lebens und Wirkens deutschsprachiger jüdischer Architekten, die auf ihrer Homepage 32 Biografien und über 100 Namen aufführt, vorwiegend aus Berlin – Stuttgart findet sich allenfalls einmal als Studienort. Viele gehören zur selben Generation wie Bloch und Guggenheimer. Juden waren erst seit dem 19. Jahrhundert zum Architektenberuf zugelassen.
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