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"Ich bin dein Mensch"

Verstand und Gefühl

"Ich bin dein Mensch": Verstand und Gefühl
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In Maria Schraders Film "Ich bin dein Mensch" wird eine spröde Wissenschaftlerin mit einem charmanten Roboter zwangsverkuppelt. Ein heiter-luftig inszeniertes Experiment, nicht ohne Tiefgang.

"Hallo Alma, ich bin Tom", so stellt sich in schummrig-rotem Club-Ambiente ein akkurat frisierter Kavalier (Dan Stevens) im Anzug vor, lächelt gewinnend und fordert die zögerliche Wissenschaftlerin (Maren Eggert) zum Tanz. Rumba! Wie ein Turnierprofi bewegt sich Tom, allerdings eher um sie rum als mit ihr kreisend. Er führt also nicht so sehr Alma übers Parkett denn eine Choreografie aus, besser: ein Programm. Bis er plötzlich – Kurzschluss! – ruckelt, spotzt und in Wiederholungsschleife "Ich bin…Ich bin…Ich bin…" stammelt, bevor er von Angestellten diskret aus dem Raum getragen wird. Das kann ja heiter werden mit diesem humanoiden Roboter, den Alma für ein gut dotiertes Experiment nach Hause nehmen soll. "Nur drei Wochen!", bittet ihr Vorgesetzter, dann dürfe sie nach Chicago fliegen und die sumerischen Keilschriften, zu denen sie im Pergamonmuseum forscht, im Original begutachten.

Und es wird heiter. Weil nämlich die Regisseurin Maria Schrader ("Vor der Morgenröte") bei ihrer auf High-Tech-Schnick-Schnack verzichtenden Beziehungsgeschichte zwar existenzielle und letzte Fragen aufwirft, dies aber auf sehr verspielte Weise. Wenn in SF-Klassikern wie "Blade Runner" oder neueren SF-Serien wie "Real Humans" der Umgang mit Androiden als moralisch-menschliches Problem geschildert wird, bei dem es um Leben und Tod geht, ummantelt "Ich bin dein Mensch" dieses Problem mit Ironie. So dass die Geschichte auch mal in die Nähe eines frivolen SF-Comics wie "Barbarella" aus den 1960er-Jahren kommt, in dem die postkoital gesättigte Titelheldin ihren Roboter lobt: "Viktor, ihr habt Stil!"

Der unerschütterlich gut gelaunte Tom hat noch mehr Stil, er weigert sich trotz Almas betrunkener Provokationen ("Also, wie ist das nun mit deinem Schwanz?!"), nur ihr Sex-Spielzeug zu sein, gibt sich dafür als Handkuss-Gentleman und Komplimente-Schleuder ("Der Bordeaux ist ein feines Tröpfchen") und ist extrem lernfähig in Sachen Empathie. Dass er altmodische Floskeln verwendet ("Bisschen klönen"), verwundert Alma, und als er mal "alles Klärchen!" sagt, bittet sie ihn, dies aus seinem Wortschatz zu löschen. Und warum spricht er eigentlich mit Akzent? Weil sie, also Alma, "leicht Fremdes" gut finde, antwortet der auf ihre Wünsche programmierte Tom, und präzisiert: "Aber auch nicht exotisch. Briten eben." Und wie der Schauspieler Dan Stevens, bei uns bekannt aus der Adels-Serie "Downton Abbey", einen britisch angehauchten Humanoiden in Berlin hinkriegt, das ist so sehens- wie hörenswert.

Engel auf Rettungsmission

Maren Eggert wirkt dazu im Kontrast nicht wie eine seelenvolle Alma, sondern spröde und kühl, also ein bisschen so wie in den spröde-kühlen Filmen, die sie mit der Regisseurin Angela Schanelec ("Marseille") gedreht hat. Aber wie Almas anfängliche Härte und uneingestandene Einsamkeit aufweicht, ihre schroffe Rationalität Sprünge bekommt, sie ihr Misstrauen und ihre Skepsis langsam ablegt und in Tom schließlich mehr sieht als einen elektrischen Diener oder ein nettes Haustier, das spielt Eggert, für ihre Rolle mit dem Silbernen Bären der Berlinale ausgezeichnet, sehr nuanciert. In einer Nebenrolle als adrette Konzernangestellte und Betreuerin von Tom ist übrigens Sandra Hüller ("Toni Erdmann") zu sehen, die zu Mensch-Roboter-Beziehungen sagt: "Wir empfehlen, an einer gemeinsamen Vergangenheit zu arbeiten. Nur wer eine Vergangenheit hat, hat auch eine Zukunft."

Geht das denn? Kann man sich eine Vergangenheit erfinden und sogar an sie glauben? Es geht wohl nur, wenn sich Verstand und Gefühl nicht in die Quere kommen. Anders gesagt: es geht wohl nur, wenn man glauben will. Gleich zu Beginn im Tanzclub, als Alma den ihr zugewiesenen Tom noch ablehnt, hat sie ihn verhört und wollte wissen, ob er an Gott glaube. ("Das ist eine Frage, die man nicht in dieser Umgebung diskutieren sollte", hat er geantwortet.) Später erklärt sie ihm, sie sei Atheistin. In den überklaren Bildern aber, in denen Berlins Mitte wunderbar leuchten darf, schwingt etwas Geheimnisvolles, ja, etwas Mystisches mit (Kamera: Benedict Neuenfels). Und wenn Tom auf einer Lichtung im Wald steht und paradiesisch-friedlich um ihn rum die Hirsche grasen, dann wirkt dieser Roboter wie von oben gesandt – wie ein Engel auf Rettungsmission.

Auch wenn Tom das schwierige Verhältnis zwischen Alma und ihrem aggressiv-dementen Vater (Wolfgang Hübsch) oder das zu ihrem Ex-Freund (Hans Löw) erkennt und quasi repariert, erinnert dieser Film ein bisschen an Pier Paolo Pasolinis "Teorema" (1968), in dem ein (göttlicher?) Gast auf gestörte Familienverhältnisse trifft. Aber Maria Schraders Film, auch wenn man zögert, ihn als Komödie zu bezeichnen, bleibt letztlich heiter, luftig, schwebend und wirkt so hingetupft wie die von Tobias Wagner komponierte Musik. "Was ist der Sinn des Lebens?", will Alma von Tom wissen, und der antwortet mit größter Selbstverständlichkeit: "Die Welt in einen besseren Ort verwandeln." Und was, fragt Alma, sei das Traurigste, was er sich vorstellen könne?" – "Allein zu sterben", sagt Tom.

Wie? Roboter können gar nicht sterben? Stimmt. Aber vielleicht können Roboter sich das Sterben vorstellen. Am Ende dieses Films, das nun doch ziemlich melancholisch ist (aber nicht depressiv), am Ende dieses Films also, bei dem sich nüchterner verbaler Bericht ("Wir schaffen eine Gesellschaft von Abhängigen ... werden unfähig zu einem normalen menschlichen Kontakt") und sehnsuchtsvolle Bilder überlagern, da können auch wir uns vorstellen, dass Roboter sich das Sterben vorstellen können. Und was den Titel des Films angeht: Wir sind uns jetzt auch nicht mehr sicher, ob den Satz "Ich bin dein Mensch" tatsächlich Tom sagt – oder vielleicht doch Alma.


Maria Schraders "Ich bin dein Mensch" ist ab Donnerstag, 1. Juli in deutschen Kinos zu sehen. Welche Spielstätte den Film in Ihrer Nähe zeigt, sehen Sie hier.


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1 Kommentar verfügbar

  • Tanja Tasche
    am 06.07.2021
    Antworten
    Der Film wird gerade im Atelier am Bollwerk gezeigt. Ich werde ihn mir ansehen. Die Rezension hat mich neugierig gemacht.
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