Sie fängt ordentlich und fast bedächtig an. Mit einer langsamen Kamerafahrt übers Wasser zu einem Gasthaus am Ufer, vor dem sich Trauergäste verabschieden. Und nun hockt sich diese Erzählung im Jahr 1984 quasi in die holzgetäferte Stube, in welcher der Witwer gewordene Seewirt Pankraz (Josef Bierbichler), ein schwerblütiger Brocken, und sein depressiv vor sich hin stierender Sohn Semi (Simon Donatz) das tun, was sie wohl schon jahrelang getan haben: nicht miteinander reden und dazu Bier trinken. Aber jetzt ist halt die Frau respektive die Mutter gestorben, jetzt müsste es also schon sein, dass man ein paar Worte verliert. Semi solle doch mal wieder in die Kirche mitkommen, sagt also der Vater, was der Sohn trotzig ablehnt. Dann fühlt Pankraz sich an etwas erinnert, er kramt in alten Fotos rum, die Familienhistorie legt nun los in bewegten Bildern, und der Film wird dabei zum exzessiv-ungebändigten Monstrum.
Nein, das ist nicht negativ gemeint. Das heißt nur, dass der nach Motiven seines eigenen Romans "Mittelreich" inszenierende Josef Bierbichler – Schauspieler, Schriftsteller und jetzt erstmals auch Regisseur – seinen Stoff gar nicht in die eine und durchgängige Form bringen will. Weil diese nämlich runden und glätten, ja, weil diese dazu führen könnte, etwas zu bewältigen, was für ihn nicht zu bewältigen ist. Diese kurz vor dem Ersten Weltkrieg einsetzende Familiensaga wird deshalb auch ästhetisch zu einem sperrig-eigenwilligen Film, der sich bewusst von üblicher Erzählroutine absetzt. "Man kleistert dem Publikum mit Unterhaltungszeug Augen und Hirne zu, damit es nicht sieht, was es ununterbrochen anschauen müsste. Und das Publikum ist meist auch noch froh drum ...", so konstatiert Bierbichler, und fährt fort: "Mediale Unterhaltung ist organisiertes Verdrängen der Wirklichkeit."
"Zwei Herren im Anzug" dagegen ist dies nicht, dafür aber, man muss es so sagen, eine Zumutung. Will dies aber auch sein und soll dies auch sein. Immer wieder wechselt Bierbichler, damit man sich nur ja nicht zurücklehnen kann, damit nur ja keine Ruhe aufkommt, die Stile, die Tempi und die Tonarten, holpert und stolpert manchmal voran, bricht auf, was gerade in Fluss zu kommen droht, feuert in die zunächst schwarzweiß gefilmten Rückblenden Farbe hinein, beendet eine fast semidokumentarisch wirkende Sequenz vom Wirtschaftswunder mit einer veritablen und kitschkatholischen Himmelfahrt. Und irgendwann ist noch eine drastische Sauschlachtung zu sehen, bei welcher der besoffene Metzger verwundert in die Stille nach dem Schuss sagt: "Jetzt hob I mir in die Hosen g'schissen." In eine Lederhose, eh klar. Denn das ist natürlich auch ein Film, der um Bierbichlers bayerische Heimat kreist. Auf gar keinen Fall aber ist es ein bayerischer Heimatfilm.
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