Das Jahr 1971. Hubschraubergeräusche, dichte Vegetation, orientierungslose US-Soldaten. Mit angespannten Gesichtern streifen sie durch den nächtlichen Dschungel, werden angegriffen und sehen keinen Feind. Es sind realistische und doch hochsymbolische Bilder: Amerika steckt fest, Amerika hat sich in Vietnam verrannt. Auf dem Rückflug gibt sich der Verteidigungsminister McNamara (Bruce Greenwood) im kleinen Kreis selber skeptisch, nach der Landung aber spricht er in die Mikrofone die offizielle Botschaft, dass alles gut laufe, dass die USA dabei wären, diesen Krieg zu gewinnen. Der Pentagon-Mitarbeiter Daniel Ellsberg (Matthew Rhys) aber weiß, dass alle US-Regierungen das Volk belogen haben, und er ist so verzweifelt, dass er die Wahrheit publik machen will. Als die "New York Times" beginnt, seine herausgeschmuggelten Dokumente zu veröffentlichen, wird dies von der Politik sofort unterbunden und juristisch blockiert.
Nein, das ist noch nicht die Geschichte dieses exzellenten Films, sondern nur die Vorgeschichte. Jetzt übernimmt nämlich "The Post" (so der Originaltitel des Films), jetzt also treten der hemdsärmelige Chefredakteur Ben Bradlee (Tom Hanks) und seine Reporter in Kontakt mit dem Whistleblower Ellsberg, um dessen brisante Enthüllungen doch noch durch die Druckerpresse rauschen zu lassen. Was danach passiert, ist zwar lange her, aber natürlich bekannt: Der Krieg verliert jede Unterstützung des amerikanischen Volks, Präsident Nixon muss und wird ihn beenden. So hat Steven Spielberg also Historie verfilmt und eine zurückgelehnte Nachbetrachtung gut abgelagerter Ereignisse geliefert? Nein, eben nicht. Man spürt in jedem Moment die Aktualität dieses Films, den Spielberg anderen Projekten vorgezogen und in extrem kurzer Zeit gedreht hat. Dies ist eine Mahnung aus vergangenen Zeiten an die Gegenwart, dies ist ein dringender Appell, die Freiheit der Presse im Hier und Jetzt zu verteidigen.
Der Regisseur legt auch gleich ein heutiges Tempo vor, ohne dabei die genaue Rekonstruktion des Damals zu vernachlässigen. Und wie er es schafft, seine vielen Protagonisten nicht nur als Stichwortgeber, sondern als Charaktere vorzustellen! Und wie es ihm dazu noch gelingt, auf viele Themen und Fakten so einzugehen, dass sein Film trotzdem spannend, kompakt und fokussiert bleibt! Denn dies ist ja nicht nur eine Hymne auf die "Washington Post", sondern auch auf die Verlegerin Kay Graham (Meryl Streep), die der deutsche Verleih zur Titelheldin gemacht hat. Nicht mal zu Unrecht, denn tatsächlich schreibt Spielberg seinem Film auch noch die Geschichte einer Emanzipation in schwierigen Zeiten ein: Eine Frau allein unter Männern, die ihren Weg finden muss.
Enthüllungen entfalteten damals noch Sprengkraft
Eigentlich ist diese Kay Graham, die die Zeitung nach dem Suizid ihres Mannes übernommen hat, eine reiche und privilegierte Oberschichtsfrau, die sich gern in Gesellschaft bewegt. Aber wenn diese Frau mit der zeitgenössischen Helmfrisur in Meetings mit Männern sitzt, wirkt sie unsicher, ihre Stimme wird ganz leise, sie wird überhört und unterbrochen, ihre Sätze enden im Nichts. Auf dem Flur läuft sie zunächst auf gleicher Höhe mit ihren Beratern, aber doch bald hinterher – ein in seiner Beiläufigkeit inszenatorisches Kabinettstücklein. Streep spielt solche Szenen brillant, genauso wie jene, in denen hinter Kay Grahams Nervosität eine große Festigkeit hervorscheint. Soll sie, wie Bradlee das verlangt, Dinge an die Öffentlichkeit bringen, die nicht nur ihren Freunden schaden, sondern die Zeitung ruinieren und sogar zu Gefängnisstrafen führen könnten? Sie hört sich, von ihren Beratern umzingelt, deren Warnungen an, wiederholt diese und sagt dann, wieder ganz leise: "However..." Und dieses kleine und fast gehauchte "Jedoch" setzt schließlich die Rotationsmaschinen in Gang.
Was für den Journalisten Bradlee gar nicht so bemerkenswert scheint, preist dessen Ehefrau in höchsten Tönen: diese Verlegerin sei extrem mutig, sie habe so viel zu verlieren, nicht nur ihr Geld, sondern ihre gesellschaftliche Stellung! Es ist eine der wenigen Szenen, in denen Spielberg das wiederholt und verbalisiert, was er schon gezeigt hat. Ansonsten verteilt er sein Pathos wohl dosiert beziehungsweise: er lässt es aus der konkreten und detaillierten Beschreibung der Ereignisse hervorwachsen. Zum Beispiel in jener nervenaufreibenden Sequenz, in welcher Ellsberg die Dokumente heimlich kopiert, ein lange dauerndes und mühseliges Unterfangen, dem auch noch der physische Transport der Papiere folgen muss. In diesen vordigitalen Zeiten sind solche Taten vielleicht nicht größer, aber doch sichtbarer.
1 Kommentar verfügbar
Andromeda Müller
am 24.02.2018wessen Presse vor wem schützen ?
1. In den USA ist die Presse- und Medienkonzentration doch genauso hoch , wenn nicht noch höher , wie in D und gehört einigen wenigen Superreichen .
2. Edward Snowden (erhält sich seine Freiheit in Moskau ) ließ nach seiner Flucht ,…