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Antifeministinnen

Um Göttins Willen

Antifeministinnen: Um Göttins Willen
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In den USA lässt sich gut beobachten, was rechten und konservativen Frauen auch hierzulande blüht, die glauben, dass sie ihre Komplizinnenschaft mit dem Patriarchat retten wird. Sie müssen sogar um ihr Wahlrecht bangen.

Eigentlich ist es schon wieder lustig, weil es so beknackt ist: Wenn Männer in irgendwelchen Talkshows sitzen und sich frauenfeindlich äußern, juckt mich das nicht mehr groß. Frau kennt's.  Aber jedes Mal, wenn eine Frau antifeministische Scheiße in irgendwelche Talkshowsessel furzt, krieg' ich Puls und werde gezwungen, diese Frau zu hassen – obwohl der Hass eigentlich gegen Männer gerichtet sein sollte, die dieser Frau ins Hirn geschissen haben. Und dann jedes Mal die Frage: Dummheit oder Masochismus? Wie kann es sein, dass sich Frauen gemein machen mit den (Re-)produzenten eines Systems, das alle Frauen und alles als weiblich Verstandene dem Mann und allem als männlich Begriffenen unterordnet? Als wären Feministinnen nicht schon genug mit Männern bestraft, die sich einbilden, dass ihnen irgendwie mehr vom Leben zustünde als Frauen, müssen wir uns auch noch mit Birgit Kelle ("Gendergaga"), Nena Brockhaus und Franca Lehfeldt ("Alte weise Männer") rumschlagen – oder irgendeiner beliebigen AfD-, FDP- oder CDU-Politikerin, die anderen Frauen einredet, dass Frauen das Problem sind und Männer schon alles richtig machen. Seufz. Aber wieso sollten sie's auch nicht tun, wenn sich Antifeminismus von Frauen für Frauen gut verkaufen lässt?

Ich sag' Ihnen warum, werte Leserinnen: Weil diese peinlichen Pick-me-Girls des Patriarchats, die glauben, dass ihre Komplizinnenschaft mit den Männern der alten Welt sie zu Gewinnerinnen macht, am Ende genauso gefickt sind, wie alle anderen Frauen auch. So clever und selbstbestimmt sich alle diese Antifeministinnen gegenüber linken und feministischen Frauen fühlen mögen, so sehr scheißt das kapitalistische System und sein Männerzirkus auf nützliche Idiotinnen, wenn es sie nicht mehr braucht. Ein Blick über den Antlantik zeigt aktuell wunderbar, was mit der obligatorischen Verzögerung von fünf bis zehn Jahren auch in Deutschland ankommt, wenn nicht hart genug dagegen angekämpft wird. Denn in den USA haben Präsident Donald Trump und seine rechtsautoritären, christlich-nationalistischen MAGA-Trolle längst damit begonnen, die Zeiger wieder 70 Jahre zurückzudrehen: zurück in eine Zeit, in der Frauen neben Ehefrauen und Müttern vor allem eins sein sollen: still.

Schon zu seiner ersten Amtszeit wollte Trump Frauen "by the pussy" grabben; jüngst bezeichnete sein Vize, JD Vance, kinderlose Frauen als "childless cat ladies". Vance wettert gegen Scheidungen und Frauen, die arbeiten, und wird nicht müde, immer wieder zu betonen, dass es eine "göttliche Ordnung" gäbe, in der Frauen ihren Platz zu kennen hätten. Seine Verbündeten, die christlich-nationalistischen "TheoBros", diskutieren derweil offen darüber, ob Frauen überhaupt wählen dürfen sollten. Denn jetzt soll es nicht nur "den Woken" und Feministinnen an den Kragen gehen, sondern auch den erfolgreichen Frauen aus den eigenen Reihen. Seit das Recht auf Abtreibung in den Vereinigten Staaten wieder rückgängig gemacht wurde und Trump wieder im Weißen Haus sitzt, müssen Männer ihren Sexismus nicht mehr verbergen. Und der trifft selbstverständlich auch rechte Frauen, wenn sie "zu mächtig" werden.

Innerhalb der Anti-Abtreibungsbewegung in den USA eskalieren aktuell misogyne Machtkämpfe, weil Männer aus den Führungsriegen der christlichen Rechten der Ansicht sind, dass Kristan Hawkins, die 39-jährige Leiterin einer studentischen Anti-Abtreibungsgruppe, abgesägt werden müsse. Hawkins hatte sich gegen republikanische Gesetzesentwürfe ausgesprochen, nach denen Frauen, die eine Schwangerschaftsabbruch durchführen haben lassen, wegen Mordes angeklagt werden sollen. Das war selbst Hawkins zu irre, die der Meinung ist, dass so ein Gesetz der "Pro-Life"-Bewegung nur schaden könne. 

Jetzt wollen die gottesfürchtigen rechten Männer sie loswerden. Denn Führungspositionen konterkarierten den göttlichen Plan für den naturgemäßen Platz der Frau am Herd. Joel Webbon, der einflussreiche christlich-nationalistische Pastor und prominente Chef-Frauenhasser der "TheoBros"-Bewegung, erklärte öffentlich: "Diese Frau muss aus dem öffentlichen Dienst entfernt werden." Kurz darauf folgten andere Männer aus derselben Bubble dem Aufruf in den Sozialen Medien und erklärten, dass es christliche Männer sein müssten, die den Kampf gegen Abtreibung anführen müssten, während sie parallel dazu die Abschaffung des Frauenwahlrechts forderten. Nach Empörung von demokratischer Seite über dieses Vorhaben meinte Webbon, dass eine Frau eben "wie ein Kind" sei – und "unsere Gesellschaft lässt ja auch keine Fünfjährigen wählen". Besser fänden die MAGA-Christo-Faschos ein "Haushaltswahlrecht", bei dem Männer stellvertretend für ihre Familien wählen gehen sollen.

Angriff aufs Frauenwahlrecht

Währenddessen arbeitet die Trump-Regierung bereits an allerlei frauenfeindlichen Gesetzen. Der sogenannte "SAVE Act" (Safeguard American Voter Eligibility Act) ist ein perfektes Beispiel dafür: Vordergründig soll es bei dem Gesetzesvorschlag darum gehen, Wahlbetrug zu verhindern; in Wirklichkeit würde das Gesetz dazu führen, dass bis zu 140 Millionen von Bürgerinnen und Bürgern, vor allem Frauen, de facto nicht mehr wählen gehen könnten. Wiebiddewas? Ja, kein Scheiß: Seit Trump nach dem missglückten Attentat im Wahlkampf 2024 auf ihn glaubt, von Gott zum rechtmäßigen Präsidenten der USA auserkoren zu sein, werden in der US-Regierung alle möglichen Schweinereien mit Gott gerechtfertigt – selbst wenn sich der Papst höchstpersönlich etwa gegen Trumps Massenabschiebungspläne ausgeprochen hat. Nun soll der "SAVE Act" göttlicher Wille sein.

Um in den USA wählen zu dürfen, muss man sich zunächst in ein Register eintragen lassen. Sollte der neue Gesetzentwurf umgesetzt werden, müssten alle Wählerinnen und Wählern dabei künftig einen Reisepass oder eine Geburtsurkunde vorlegen. Was erst mal nicht ganz so insane klingt, offenbart schnell das Problem: 69 Millionen Frauen in den USA haben nach der Heirat ihren Nachnamen geändert – die Geburtsurkunden weisen aber lediglich den Namen der Frau vor der Hochzeit aus. Das wäre kein Problem, wenn es in den USA Personalausweise gäbe. Ein entsprechendes Dokument existiert aber nicht, das Ausweiswesen ist nicht bundesweit geregelt. Und über 140 Millionen US-amerikanische Bürgerinnen und Bürger haben auch keinen Reisepass.

Trotzdem ist diese Maßnahme nur ein Mosaikstein des Angriffs auf die Rechte von Frauen. Seit der Supreme Court im Jahr 2022 das seit 50 Jahren bestehende Recht auf Abtreibung wieder rückgängig gemacht hat, werden Frauen von Staat und Kirche zu Gebärmaschinen erniedrigt, um America wieder great zu machen. Sie werden gezwungen, auch lebensgefährliche Schwangerschaften zu erdulden; Ärzte haben Angst, Fehlgeburten zu behandeln, weil sie sich nicht sicher sind, ob sie dann strafrechtlich verfolgt werden. Doch damit nicht genug für die Pro-Lifer, Great-Maker und anderen Gotteskrieger in der Regierung der Vereinigten Staaten – denn die wollen ein bundesweites Abtreibungsverbot, inklusive Gefängnisstrafen für Ärzte und Frauen. Auch der Zugang zu Verhütungsmitteln soll eingeschränkt werden, Sexualkunde an Schulen verboten, kurzum: Das Patriarchat soll durch den Zwang zur Schwangerschaft zementiert werden.

Und in Deutschland? Jau, da sind wir gar nicht so weit weg vom greaten America: Hierzulande entspricht der Paragraf 218 in großen Teilen noch immer der Fassung von 1871, während vor ein paar Wochen ein Mann Bundeskanzler wurde, der gegen die Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe stimmte – und die zweitstärkste Partei im Bundestag hat bereits angekündigt, das Abtreibungsrecht weiter einschränken zu wollen. 

Und dennoch glauben dumme oder masochistische Frauen auch in Deutschland, sie könnten sich vor einem Backlash retten, indem sie sich anpassen. Indem sie in Talkshows sitzen und den Feminismus als überholt oder linken Extremismus bezeichnen. Indem sie reaktionäre Netzwerke aufbauen, in denen sie sich gegenseitig versichern, dass sie doch gar nicht benachteiligt werden. 

Tja

Ich kann es wirklich immer kaum fassen, wenn ich über Frauen wie Jana Schimke (CDU) stolpere. Nachdem Markus Söder (CSU) kurz nach der Bundestagswahl ein Bild auf X gespostet hatte, auf dem neben seinen Altherren-Kollegen Friedrich Merz, Martin Huber und Thorsten Frei noch zwei weitere mittelalte Männer in grauen Anzügen zu sehen waren, die laut Söder "bereit für einen Politikwechsel in Deutschland" seien, machte sich die progressive Bubble selbstverständlich lustig über den Politikwechsel von alten Männern in grauen Anzügen hin zu alten Männer in grauen Anzügen. Was Jana Schimke zu dem Kommentar veranlasste: "Tja bei uns geht's um Inhalte, nicht um Quote." Wissen Sie, wer Jana Schimke ist? Sie sitzt seit 2013 im deutschen Bundestags, hat es aber offenbar bislang nicht mit Inhalten ins öffentliche Bewusstsein geschafft. Tja.

Das sieht bei der christlich-fundamentalistischen Birgit Kelle, Christian Lindners Ehefrau Franca Lehfeldt und dem "Welt-"Gewächs Nena Brockhaus anders aus. Ihre Gesichter und Inhalte sind vielen Menschen in Deutschland bekannt. Sie gelten als konservative Macherinnen, die es geschafft haben. Die eine als erzkonservative rechte Vorzeigedenkerin gegen die Verschwulung Deutschlands; die andere als Speakerin und Veranstalterin von pseudofeministischen "WoMen on Top"-Events; die Dritte als christlich-nationalistisches Panikorchester gegen die Rote Gefahr. Sie sorgen sich weniger um die Erosion von Frauenrechten als um einen eingebildeten Kulturbolschewismus. Als wäre es nicht eben genau dieser "woke Kram", der es ihnen ermöglicht hat, Karriere zu machen. 

Mit geballter Kompetenz unterstützen sie ihre männlichen Kollegen im Kampf gegen Frauenrechte, weil sie gelernt haben, dass ihnen diese Unterstützung Anerkennung beschert. Was die Anerkennung von rechten Männern wert ist, sieht man ja gerade überall auf der Welt: In Ungarn fördert Viktor Orbán eine rigide Familienpolitik, die Frauen mit finanziellen Anreizen in die Mutterrolle drängt. In Italien träumt Pick-me-Königin Giorgia Meloni von "traditionellen Werten" – und meint damit nichts anderes als das Zurückdrängen von Frauenrechten. Doch wenn der Backlash weiter Fahrt aufnimmt, wird es Meloni und all die anderen vorübergehenden Profiteurinnen von Männerpolitik genauso treffen wie die Frauen, die sie heute bekämpfen. Denn im Patriarchat gibt es keine "guten" Frauen, die verschont werden. Diejenigen, die heute noch glauben, sie seien sicher, weil sie ein frauenfeindliches System verteidigen, werden morgen feststellen, dass sie benutzt wurden.

Es beginnt mit Angriffen auf Scheidungsrechte. Mit der Verhinderung von Kinderbetreuung, die Frauen die Rückkehr in den Job erleichtert. Und dann kommt der nächste Schritt: das Verbot von Abtreibungen, das Erschweren von Verhütung, die Einschränkung des Wahlrechts, der gesellschaftliche Druck, Frauen in die Mutterschaft zu drängen – ob sie wollen oder nicht. Und wenn die Frauen, die mit aller Kraft gegen Feminismus und alles "Woke" wettern, erkennen, dass sie selbst betroffen sind – dann wird es zu spät sein.

Aber wer bin ich, um diesen dummen Frauen ihren selbst gewählten Masochismus abzusprechen? In der besten aller Welten dürfen Frauen nämlich selbst entscheiden, wie sie am liebsten unterdrückt werden möchten. 

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