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Hurenkinder, Penisangst

Hurenkinder, Penisangst
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Manche Meldung dieser Tage erfreut mein linkes Herz! Vor einer Woche wurde einem VW-Manager in den USA der Pass entzogen – vermutlich nur, damit er sich nicht der Verfolgung entziehen kann. Dazu passt die Nachricht, dass sich (deutsche) VW-Mitarbeiter auf keinen Fall in den Staaten blicken lassen sollten. Die Gefängnisse in den Staaten sind so berüchtigt wie deren Polizei und Justiz. Verschwörungstheoretiker gehen davon aus, dass der ganze Skandal von langer jüdischer Hand vorbereitet wurde, um die deutsche TÜV-Wirtschaft in die Knie zu zwingen. Die Flüchtlinge auch. Denn es sind ja nicht nur Terroristen, die da einwandern – die könnten wir verkraften, sorry, ich meine natürlich: erwischen! Nein, die aktuelle Völkerwanderung ist komplett inszeniert – und das nur, um uns allezumachen. In der guten alten Zeit empfahl die Regierung mit der Aktion Eichhörnchen: "Denke dran, schaff Vorrat an!" Nachdenkenswert war überdies der amtliche Warnhinweis, sich bei einem Atomkrieg in den nächstbesten Straßengraben zu werfen und mit einer Aktentasche übem Kopp die letzten selbstständigen Gedanken zu schützen. Das hat mich irritiert, denn bei jeder Röntgenuntersuchung sichert man wieder und wieder durch einen Bleimantel meinen Unterleib. Das Personal verlässt dann panikartig den Raum. Ich habe Penisangst.

Womit ich zum Hurenkind komme. Damit wird im gedruckten wie im virtuellen Text die letzte Zeile eines Absatzes diskriminiert, sofern sie zugleich die erste Zeile einer neuen Seite ist. Hurenkinder, das hat man mir als Schriftsetzer schon im ersten Lehrjahr eingebläut, sind in der Typografie schwere handwerkliche Fehler, da sie die Ästhetik des Satzspiegels besonders stark beeinträchtigen. Das Erscheinungsbild leidet. Neulich hab ich unterm öffentlich-rechtlichen Erscheinungsbild des Fernsehens gelitten und mich gefragt, wer hier Hure, wer Hurenkind und wer Freier ist. Jeder halbwegs bekannte Sportler begeht Vertragsbruch, wenn er sich von Mensch zu Mensch interviewen lässt. Das geht nur mit der Sponsorentafel im Hintergrund – alles andere ist untersagt. Der Gipfel war, als sogar das unmittelbare Umfeld eines Mikrofons von sage und schreibe acht Werbetafeln umzingelt war: acht Quadrate der Dummheit. Wer nicht mitmacht, kriegt kein Bild, kein Wort, keinen Ton. Klar: Warum um alles in der Welt soll nur der deutsche Diesel auf den Hund kommen und nicht auch die Informationsfreiheit?

 

Peter Grohmann ist Kabarettist und Initiator des Bürgerprojekts Die Anstifter.


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2 Kommentare verfügbar

  • Insider
    am 11.11.2015
    Antworten
    Das geht nur mit der Sponsorentafel im Hintergrund – alles andere ist untersagt. Da hätte ich doch eine Frage! Was steht denn auf dem Anstecker, der an der roten Mütze seitlich zu sehen ist?
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