Herzlichen Glückwunsch! In der Druckausgabe vom 3. Januar 2025 gratulierte die "Schwäbische Zeitung" Faina Faifer aus Bad Saulgau im Landkreis Sigmaringen zu ihrem 85. Geburtstag. Derlei Gratulationen zu runden Geburtstagen sind eine liebenswerte Form der öffentlichen Wertschätzung älterer Mitmenschen und ihrer Lebensleistungen, die sie in ihren Familien und für die Gemeinschaft erbracht haben. Faina Faifer lebt schon seit Jahrzehnten in Bad Saulgau. Sie kam 1995 aus dem kleinen Dorf Trudowaja Niwa im Norden Kasachstans nach Oberschwaben, um ihren dort lebenden Kindern und Enkelkindern nahe zu sein. In Bad Saulgau fühlt sie sich willkommen und akzeptiert. Faina war stolz auf die Erwähnung ihres Namens in der Zeitung. Es gab ihr ein Gefühl von Zugehörigkeit. Das Gefühl einer Heimat, die ihr von Amts wegen seit über 30 Jahren nicht zugestanden wird.
Denn ihr wird vorgehalten, dass Kasachstan ihre wahre Heimat sei und sie sich illegal in Deutschland aufhalte. Die heute 85-Jährige sei eine "irreguläre Migrantin". Mehrmals wurde ihr deshalb seit ihrer Einreise 1995 mit der Abschiebung gedroht. Diese missliche Situation liegt für Faina Faifer in der Vergangenheit vor 1995 begründet.
Fainas Angehörige mütterlicherseits aus der Familie Baron kamen Anfang der 1940er-Jahre nach Kasachstan. Zusammen mit der Familie ihres Ehemannes Lawrentis Faifer. Die Barons und die Faifers gehörten zu den russlanddeutschen Siedlern am Schwarzen Meer im Raum Odessa, die während des Zweiten Weltkrieges auf Befehl Stalins in den Norden Kasachstans zwangsdeportiert wurden. Mit dem Niedergang der UdSSR 1991 änderte sich die Situation der Russlanddeutschen dort gravierend. Sie konnten etwa problemlos ins Ausland zu reisen, was zuvor nur sehr bedingt möglich gewesen war. Viele verließen in dieser Zeit das Land, um woanders ein neues, womöglich besseres Leben anzufangen. Davon träumten auch Faina Faifer und ihr Mann Lawrentis.
Krank und allein in Kasachstan
Die Einwanderung Russlanddeutscher wird im Bundesvertriebenengesetz (BVFG) geregelt. Sie wurde von der deutschen Politik Anfang der Neunzigerjahre massiv gefördert. Faina Faifers Sohn machte sich das 1992 zunutze, zog nach Deutschland und ließ sich schließlich mit seiner Familie in Bad Saulgau nieder. Seine zwei Schwestern mit ihren Familien folgten kurz darauf. Die Eltern Lawrentis und Faina Faifer stellten 1993 ebenfalls einen Antrag zur Übersiedlung, um zukünftig dort in der Nähe ihrer Kinder und Enkelkinder zu leben. Bis zur Bewilligung eines Aufnahmeantrags verging damals mitunter viel Zeit. Zuviel Zeit in Faina Faifers Fall. Denn kurz bevor ihrem Antrag stattgegeben wurde, starb ihr Ehemann Lawrentis im Januar 1994 mit erst 52 Jahren an einem Schlaganfall.
Der Tod ihres Mannes hatte Faina Faifer sehr hart getroffen, denn zur gleichen Zeit kämpfte sie mit einer Krebserkrankung der Schilddrüse. Sie litt danach an zahlreichen Folgen der Krebstherapie. Zerstörte Halswirbel schränkten ihre Bewegungsfähigkeit massiv ein. Sie war auf ständige Betreuung angewiesen und dazu, ohne die bereits in Deutschland lebenden Kinder, in Kasachstan vollkommen allein. Zudem stellte sich damals heraus, dass der im Juli 1994 ausgestellte Aufnahmebescheid der deutschen Behörden nach dem Tod ihres Mannes für sie selbst plötzlich keine Gültigkeit mehr besaß.
Aufgrund ihrer prekären gesundheitlichen Situation beschlossen Faina Faifers Kinder 1995, die Mutter nach Deutschland zu holen. Am 1. Februar des Jahres reiste sie mit einem drei Monate gültigen Visum nach Deutschland. Auf dem Landratsamt Sigmaringen wurde ihr sogleich unmissverständlich klargemacht, dass sie trotz ihrer Pflegebedürftigkeit nach Ablauf ihres Visums unbedingt ausreisepflichtig sei. Und falls sie das versäume, auch abgeschoben werden könne. Zudem müsse ihr Sohn unterschreiben, für sämtliche Kosten ihres Lebensunterhaltes in Deutschland selbst aufzukommen.
Nach Ablauf der drei Monate Visumslaufzeit geschah zunächst nichts. Faina Faifer wurde nicht wie angedroht umgehend abgeschoben. Vielmehr stellte ihr schlechter Gesundheitszustand für die Ausländerbehörden über mehr als 20 Jahre ein sogenanntes "inlandsbezogenes Abschiebungshindernis" dar. Ohne einen dauerhaften Aufenthaltsstatus zu bekommen, wurde sie Jahr für Jahr aufs Neue nur geduldet. Bis sich dann schließlich beim Referat 81 im Regierungspräsidium Karlsruhe, landesweit für die "Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen" zuständig, jemand Faina Faifers 23 Jahre alten Falls von "irregulärer Migration" annahm.
Faina hatte noch nie einen kasachischen Pass
Zur "Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen" gehört auch, alle "inlands- und auslandsbezogenen Abschiebehindernisse" zu überprüfen und diese gegebenenfalls auch zu beseitigen. In Faina Faifers Fall waren das zum einen ihr schlechter Gesundheitszustand, der mit einer Reiseunfähigkeit einhergeht, und zum anderen, dass sie keinen gültigen kasachischen Pass besitzt. Faina Faifer wurde daher ab 2018 mehrfach dazu aufgefordert, sich aktiv um einen Pass beim kasachischen Konsulat zu bemühen. Und im Hinblick auf ihre gesundheitlichen Einschränkungen zweifelten die Behörden nun auch die dazu eingereichten ärztlichen Atteste an und forderten ein amtsärztliches Gutachten zum Gesundheitszustand der Frau und ihrer Reisefähigkeit.
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