Einen Monat später konnte dieser Irrtum korrigiert werden. Doch viele Verkaufsstellen nutzten die unverhoffte Chance für den Appell: Jetzt zuschlagen, bevor es zu spät ist. Schon deutlich früher hatte die linksradikale Monatszeitschrift "konkret" ihre Reichweite zur Verfügung gestellt, das Trippen in der Grauzone zu bewerben: Hier war im Oktober 2021 in einer ganzseitigen Anzeige ein goldener Gorilla zu sehen, verbunden mit der Aufforderung: "LSD kaufen". Wenig später folgte eine schmallippige Entschuldigung: "Eine kurze Recherche hätte ergeben, dass der Geschäftsführer des Unternehmens, das das beworbene Produkt vertreibt, Ansichten verbreitet, die mit unseren unvereinbar sind." Hinter dem Geschäft mit dem damals noch nicht verbotenen 1V-LSD steckte ein gewisser Carl Philipp Trump, nach eigener Aussage Cousin siebten Grades von The Donald und Gründer der Partei "Die Gutmenschen" – zu deren Forderungskatalog die Legalisierung von Folter zählt.
Der deutsche Trump wurde depressiv, nachdem er ein millionenschweres Bitcoin-Portfolio verzockt hatte, und entdeckte LSD als eine Art Wundermittel, von dem er sich die Heilung fast aller Krankheiten versprach. Zur Beweisführung experimentierte er mit Obdachlosen, die er dafür bezahlte, ihnen Acid einflößen zu dürfen. Aber irgendwas muss schiefgelaufen sein, denn zu Trumps Verwunderung blieben sie Alkoholiker. Während zum Beispiel in der Goa-Szene die Vorstellung verbreitet ist, der Genuss psychedelischer Drogen verhelfe zu höheren Einsichten bis hin zur Erleuchtung, zeigen Werdegänge wie der von Carl Philipp, dass man trotz Konsum bekloppt werden kann.
Seid gewarnt!
Vor Risiken und Nebenwirkungen warnt auch der Schriftsteller Michael Ende, und zwar im "Satanarchäolügenialkohöllischen Wunschpunsch". Darin braut Zauberer Beelzebub Irrwitzer den titelgebenden Trank, doch Teile der Rezeptur sind in der exorbitanischen Sprache verfasst, und diese kann ausschließlich in der vierten Dimension verstanden werden. Wenig zielgruppengerecht wählt der Kinderbuchautor als Ticket für ansonsten unerreichbare Sphären eine farblose Flüssigkeit in einer seltsam geformten Phiole mit der Aufschrift "Luzifers Salto Dimensionale" (Hervorhebung im Original). Aber seid gewarnt! Denn ist die Dosis zu groß, "dann wirst du in die fünfte oder sechste Dimension hinaufkatapultiert. Diese höheren Dimensionen sind so verwirrend, dass du nicht einmal mehr wissen würdest, welche Stücke zu dir gehören und welche nicht. Du würdest vielleicht unvollständig zurückkommen oder falsch zusammengesetzt – wenn überhaupt."
Der Automat am Stuttgarter Rotebühlplatz hatte hingegen 1D-LSD im Sortiment, dessen Kurz-, Mittel- und Langzeitfolgen noch viel schlechter untersucht sind als die des Ausgangsstoffs. Läuft, wer es einwirft, Gefahr, sämtliche Ausdehnung einzubüßen und zur Singularität zusammenzuschrumpfen? Ein von der Redaktion konsultierter Experte rät eindringlich vom Konsum ab: Die Wirkung sei ernüchternd, kein Vergleich zum Original.
Auch der Gesetzgeber wollte nicht untätig zusehen, inzwischen ist 1D-LSD ebenfalls eindeutig illegal. Nach den mittlerweile verbotenen Stoffen 1P-LSD, 1V-LSD, AL-LSD, 1B-LSD, 1cP-LSD, 1cP-AL-LSD, ETH-LSD und 1P-ETH-LSD kam das für die Designerdrogenküchen jedoch nicht allzu unerwartet. Sie haben schnell reagiert, sodass nun eben bis zum nächsten Verbot mit 1S-LSD gehandelt wird.
Die Geburt der Maschine aus dem Geiste der Gaukelei
Mindestens genauso spannend wie die Drogen, die sie anbieten, sind indes die Automaten selbst: In Nähe des Bad Cannstatter Bahnhofs erweisen sie sich als große Allegorie für die Krise des Lebens auf dem blauen Planeten. Früher gab es hier am Verkehrskreisel vor einer Shopping Mall neun multikulturelle Imbissbuden, vom "Casa Africa" mit leckeren Okraschoten über libanesische Shawarma bis hin zu einem bizarren Griechen, der bei seinen Burgern gerne noch Mayonnaise oben auf das Brötchen schmierte. Eigentlich sollen auf dem Areal schon seit 2006 neue Wohnungen entstehen. Dass es sie noch nicht gibt, steht sinnbildlich für die bittere Erkenntnis, dass das Heilsversprechen der bürgerlichen Gesellschaft uneingelöst bleiben muss.
Auch ganz ohne Bautätigkeit sind all die Imbissbuden heute menschenleer. Über Jahre hinweg war es kein Problem, hier Würstchen, Halloumi oder Tacos zu verkaufen. Doch dann stellte die Stadt 2022 überraschend fest, dass es für keinen der Essstände eine Baugenehmigung gibt, und sie mussten dichtmachen. Kulanter ist das Recht gegenüber den zwei Drogenautomaten, die nun dort stehen, wo früher Imbissköche Ćevapčići auf den Lavagrill beförderten.
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Rudi Reinhardt
am 15.08.2024