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Cannabis-Legalisierung

Kein Geld in der Tüte

Cannabis-Legalisierung: Kein Geld in der Tüte
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 Fotos: Jens Volle 

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Endlich kiffen: Mit der Teillegalisierung von Cannabis für Erwachsene müssen sich Haschisch-Freund:innen nicht mehr verstecken. Suchtberater:innen allerdings haben einige Fragen.

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Holt die Grinder raus, macht die Weed-Bags auf: Das Gras ist frei! Seit erstem April dürfen alle ab 18 Jahren Joints quarzen, Bong heizen, Pfeife rauchen – ganz legal. Mit dem Gesetz, das am 22. März trotz großem Widerstand der Länder im Bundesrat gebilligt und am ersten April verabschiedet wurde, sollen Jahre der Stigmatisierung von Konsument:innen Geschichte sein. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) spricht von einem "historischem Schritt", mit dem man endlich eine "gescheiterte Verbotspolitik" beendet habe, Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) betonte, dass perspektivisch "Polizei und Justiz entlastet" werden. So sollen in einem ersten Schritt das Mitführen, Konsumieren und Anbauen im Eigenheim legalisiert werden, im zweiten sieht das Gesetz "regionale Modellvorhaben mit kommerziellen Lieferketten vor", diese sind aber noch in der Planung. Für erwachsene Kiffer:innen ist das Gesetz eine Erleichterung, in Berlin zelebrierte man das Inkrafttreten am ersten April mit einem großen Smoke-Happening vor dem Brandenburger Tor, in Hamburg wurden die Landungsbrücken eingeräuchert.

Während die einen sich über das neue Gesetz erleichtert zeigen, blicken Präventionsstellen nicht so entspannt in die kommende Zeit. Maren Pletat sitzt in ihrem Büro an der Stuttgarter Villastraße. Ihr Hund Sam schnuppert neugierig durch den Raum, begrüßt mit seiner kalten Nase die beiden Kontext-Mitarbeiter. Pletat ist Sozialpädagogin und arbeitet als Suchtberaterin bei Release U21. Seit 2017 berät sie dort Jugendliche und junge Erwachsene insbesondere in puncto illegaler Drogen – bis vor Kurzem fiel darunter auch noch Cannabis. "Ich arbeite überwiegend mit jungen Menschen zwischen 14 und 21 Jahren, rund die Hälfte derjenigen kommt auf Zuweisung", erklärt Pletat, also auf Anweisung des Jugendamts oder aufgrund von gerichtlichen Entscheidungen. Die Ratsuchenden würden von Jugendlichen reichen, die zum ersten Mal kiffen wollten und direkt von der Polizei einkassiert wurden, bis hin zu einer Person, "die bis zu 25 Gramm am Tag geraucht hatte", erzählt die Suchtberaterin. Die meisten der Jugendlichen kommen nicht wegen einer Abhängigkeit, sondern eher wegen einem riskanten, missbräuchlichen Konsum.

Dass jetzt Cannabis in Teilen legalisiert wurde, "ist ein positives Zeichen", findet Pletat, "unserem Leitbild nach sollten eigentlich alle Substanzen entkriminalisiert werden, um so endlich die Stigmata aufzubrechen. Denn die bisherige Gesetzgebung hat letztlich nur die Konsument:innen bestraft, aber nicht zu einer Konsumkompetenz beigetragen, geschweige denn die Händler:innen von Substanzen getroffen". Doch für sie gehört zu einer erfolgreichen Legalisierung eine ebenfalls erfolgreiche Präventionsarbeit: "Ich bin überzeugt davon, dass die Legalisierung nur erfolgreich werden kann, wenn begleitend die Präventions- und Beratungsarbeit gefördert wird." Und genau hier hat das neue Gesetz einige gravierende Probleme.

Mehr Prävention erwünscht, aber kein Geld

Um diese nachvollziehen zu können, lohnt sich ein kurzer Blick in die Tüte: Im Fokus des Cannabisgesetzes, kurz CanG, steht vor allem die individuelle Eigenverantwortung. Seit erstem April dürfen Erwachsene ab 18 Jahren drei Cannabispflanzen für den Eigenkonsum anbauen und 25 Gramm bei sich tragen, im Privaten dürfen es 50 Gramm sein. Bezogen werden soll das Gras von sogenannten Anbauvereinigungen, die als Vereine organisiert sind. Wer Cannabis, Samen oder Setzlinge für die Zucht kaufen will, muss in einem solchen Verein Mitglied sein, die Mitgliedschaft ist erst ab 18 Jahren erlaubt.

Neben dem Verkauf müssen die Vereine auch eine Beratung anbieten, sodass sich Mitglieder über die möglichen Risiken des Konsums informieren können. "Und diese Berater sollen dann von den lokalen Beratungsstellen geschult werden", erklärt Pletat – also von ihr. Ein erster Mehraufwand für die ohnehin schon dünn besetzten Stellen. Bereits jetzt arbeite man immer am Anschlag, erzählt Pletat. "Wir gehen quasi immer in 'Vorkasse', das heißt wir machen viele Angebote, konzipieren Workshops und Programme, die wir aber letztlich selbst gar nicht alle gestemmt kriegen. Weil die Nachfrage da ist, können wir dann gemeinsam mit unseren Netzwerkpartner:innen auf die Stadt zugehen und verdeutlichen, dass wir neue Stellen brauchen." Darum habe man bei Release U21 gehofft, dass mit der Legalisierung auch neue Stellen geschaffen werden.

Doch dem ist nicht so: Anstatt die lokalen Beratungsstellen finanziell zu unterstützen, gehen alle Fördermittel des Bundes für die Präventionsarbeit an die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA). Veranschlagt sind sechs Millionen Euro in diesem Jahr, zwei Millionen in den folgenden Jahren. "Die BzgA produziert dann Infoflyer und Aufklärungskampagnen, aber das ist zu kurzsichtig gedacht", meint Pletat. Kritiker:innen des Gesetzes hatten immer wieder angemahnt, dass mit der Teillegalisierung von Cannabis auch mehr Mittel vom Bund für die Länder bereitgestellt werden müssen, auch das Land Baden-Württemberg argumentierte so in einer Kontext-Anfrage. Release U21 beispielsweise wird zu 77 Prozent von städtischen Geldern finanziert, die übrigen 23 Prozent setzen sich aus Geld vom Land und eigenen Einnahmen zusammen.

Mehr als drei Joints pro Tag

Auch in Tübingen in der Drogenberatung bei Hans Köpfle wundert man sich über das neue Cannabisgesetz. "Bei den neuen Aufgaben beißt sich die Katze selbst in den Schwanz", findet Köpfle. Mit einem zynischen Grinsen beziffert der 64-Jährige die angespannte Finanzlage der Präventions- und Beratungsstellen: "Seit 1998 ist die Finanzierung durch das Land 'stabil', seitdem liegt der Schlüssel bei 17.900 Euro Förderung pro Vollzeitstelle. Trotz Inflation, Energiekosten und so weiter. Wie soll man denn so die bisherige Arbeit und die jetzt noch auf uns zukommenden Aufgaben bewältigen?"

Gerade junge Menschen konsumieren immer häufiger Cannabis, laut BzgA konsumierten 2021 zwölf Prozent aller 18- bis 25-Jährigen innerhalb eines Monats mindestens einmal Cannabis, unter den 12- bis 17-Jährigen waren es 3,5 Prozent. Über das ganze Jahr gesehen konsumierte jeder dritte junge Erwachsene mindestens einmal Cannabis, bei den Jüngeren knapp 20 Prozent. Das zeige, wie wichtig Präventionsangebote seien. Und dafür wiederum brauche man neue Stellen und mehr Förderung, sagt Köpfle. "Wir hatten uns bereits vor ein paar Jahren dafür eingesetzt, dass die Finanzierung auf 25.000 Euro pro Vollzeitstelle angehoben wird – es hat sich aber offensichtlich bis heute nichts geändert. Wir wollten, dass Cannabis entkriminalisiert und aus dem Strafrecht rausgenommen wird", berichtet der Suchtberater. Der erste Gesetzesentwurf hatte dem Psychologen besser gefallen, vor allem dass die Altersgrenze höher war. "Wir hatten uns damals für Cannabis ab 25 Jahren ausgesprochen, auch mit 21 Jahren wären wir noch einverstanden gewesen." Dass jetzt die Altersgrenze bei 18 Jahren liegt, findet er nicht gut. Zu groß seien die Risiken für Entwicklungsschäden.

Viel Grünes, aber kein Geld

Aktuell unterstützt die Suchtberatung Tübingen 300 Personen, die unter einer diagnostizierten Cannabis-Abhängigkeit leiden. Laut Köpfle sind davon 299 zwischen elf und 16 Jahren. Nur eine einzige Person ist älter, nämlich 27 Jahre. "Mir zeigt das – und das Belegen auch Studien –, dass die Gefahr einer Cannabis-Abhängigkeit oder missbräuchliches Konsumverhalten von Gras in dieser Altersgruppe einfach sehr groß ist. Dann die Altersgrenze auf 18 Jahre zu legen, war vielleicht bürokratisch die einfachste Lösung, ist aber kein gutes Signal", meint Köpfle. "Und wenn man sich dann noch die Mengen anguckt, die junge Menschen besitzen dürfen, dann muss man sich schon wundern." 30 Gramm pro Monat dürfen Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren pro Monat in den Anbauvereinigungen abholen, das Gras darf dabei nicht mehr als zehn Prozent THC beinhalten. Geht man davon aus, dass pro Joint rund 0,3 Gramm benötigt werden, ergibt das pro Monat 100 Joints, das sind mehr als drei am Tag. "Da kann man wirklich schon von regelmäßigem Konsum sprechen?", fragt Köpfle mit ironischem Unterton.

Maren Pletat geht davon aus, dass man mit der 30 Gramm-Regelung eher versuchen möchte, den Schwarzmarkt einzudämmen. "Ob das aber funktioniert, muss man in ein bis zwei Jahren überprüfen." Ob Heranwachsende wirklich 30 Gramm pro Monat verrauchen oder es auch weitergeben, das lasse sich noch nicht sagen, so Pletat. Und selbst wenn man die Altersgrenze höher angesetzt hätte, so müsse man doch feststellen: "Jugendliche und junge Erwachsene kommen an Cannabis, auch wenn man die Begrenzung auf 25 gelegt hätte. Außerdem dürfen Menschen in Deutschland ab 18 Jahren auch harten Alkohol und Zigaretten konsumieren, Auto fahren, wählen gehen. Da muss man schon anerkennen, dass alles andere einen Spagat zwischen Wunsch und Wirklichkeit verlangt hätte, der keiner Realität entspricht."

Kiffen mit Konsumkompetenz

Pletat sieht ein anderes Problem der neuen Gesetzgebung kritisch, das Hans Köpfle ebenfalls im Gespräch mit Kontext anspricht: "Wenn ein Jugendlicher unter 18 Jahren von der Polizei mit Gras erwischt wird, dann soll die Polizei die Erziehungsberechtigten einschalten, aber auch abwägen, ob eine Kindeswohlgefährdung oder ein Suchtproblem vorliegt. Da sagen die Beamtinnen und Beamten ganz zu Recht: 'Das ist nicht unsere Aufgabe'", so Köpfle. Und es gehe noch weiter: "Wenn die Polizei dann nach ihrer Einschätzung zu dem Schluss kommt, dass eine Gefährdung vorliegt, wird das Jugendamt eingeschaltet, das dann eine Beratung anweist." Und dann landen die Jugendlichen bei ihm oder Maren Pletat von Release U21 in Stuttgart, die damit eine weitere Aufgabe zugeschoben bekommen.

Jugendschutz im Cannabisgesetz

Um den Jugendschutz zu garantieren, sieht das neue Gesetz einige Regelungen vor. So dürfen zwar alle über 18 Jahren in der Öffentlichkeit konsumieren, allerdings nur unter Einschränkungen: "Kein Konsum in unmittelbarer Nähe von Personen unter 18 Jahren; kein Konsum in Anbauvereinigungen und in unmittelbarer Nähe, kein Konsum in Fußgängerzonen zwischen 7 und 20 Uhr" sowie nur im Abstand von 100 Metern zu Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Spielplätzen und öffentlichen Sportanlagen – so steht es in einem Infoflyer der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Außerdem erhalten 18- bis 21-Jährige nur 30 Gramm Cannabis aus den Anbauvereinigungen, das maximal zehn Prozent THC beinhalten darf.  (max)

Maren Pletat versucht, pragmatisch zu bleiben. Noch fehle zwar die Durchsetzungsverordnung des Landes zur Umsetzung des Gesetzes, trotzdem tauscht sie sich bereits mit ihren Kooperationspartner:innen aus. Staatsanwaltschaft, Polizei, Jugendamt – sie alle wissen noch nicht genau wie es weitergeht, versuchen aber, gemeinsam Lösungen zu finden, wie das Gesetz gut umgesetzt werden kann. "Letztlich geht es darum, dass junge Menschen, ihre Eltern, alle einen kompetenten Umgang mit Cannabis entwickeln", sagt die Beraterin. "Wie verwende ich eine Droge? Was gibt sie mir, was fehlt mir ohne sie?" Das alles seien wichtige Fragen von Konsumkompetenz. Die gelte es jetzt anzugehen. Und dafür brauche es nicht nur mehr Geld für die Beratungsstellen, sondern auch eine gesellschaftliche Akzeptanz. "Wir müssen verstehen, dass Konsumierende in den Anbauvereinigungen mündige Bürger:innen sind und so müssen wir sie auch behandeln", sagt Pletat. Und noch etwas dürfe nicht vergessen werden: Durch die kontrollierte Abgabe der Anbauvereinigungen könne man auch die Qualität besser garantieren und so für einen "safer Use" sorgen. Doch dafür braucht es keinen realitätsfernen Blick durch die grüne Brille, sondern mehr Fördermittel für Berater:innen wie Pletat und Köpfle.

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