Achim hatte stets vorzügliches Haschisch, vielleicht das beste in der Stadt. Der Haken: Jedes Mal, wenn man bei ihm einkaufen wollte, musste man sich mindestens eine Dreiviertelstunde lang sein bizarres Gelaber anhören. Um zu erkennen, dass Chemtrails die Luft mit Schwermetallen verpesten, brauchte der verzottelte Althippie nur einen Blick auf den Himmel zu werfen – "Der sah doch früher noch anders aus! Ich sag's euch, der war viel blauer ... ein richtiges Blau!" Immer, wenn er Besuch bekam, rollte Achim einen neuen Joint. Aber keineswegs normale Tüten, sondern übertriebene Monsterbretter, wobei sein unverrückbares Prinzip darin bestand, jedes Mal mehrere Gramm reinzubröseln. Seine Kund:innen waren in der Regel nach drei Zügen außer Gefecht. Er aber rauchte mehrere dieser Dinger am Tag. Das half ihm, an seinen Theorien zu feilen.
Ernesto war ein sympathischer Typ, aber von Grund auf verpeilt und hochgradig unzuverlässig. Einmal erzählte er, wie er das tiefbraune, seit zwei Jahren nicht mehr gewechselte Wasser aus einer Bong getrunken habe, weil jemand behauptet hatte, dass es klatscht. Gewirkt hat es nicht, war aber hilfreich dabei, den Magen zu leeren. Er hatte dunkelbraune Dreadlocks bis zu den Arschbacken und eine Zeit lang eine blond gefärbte Wimper. "Ja, Wette verloren." Er erzählte gerne von seinem großen Zeh. Eines Tages saß Ernesto hochkonzentriert und mit gerunzelter Stirn vor seiner Waage und starrte mit großen Augen auf die Anzeige. Erst hatte er viel zu viel Gras draufgepackt, dann wiederum war es deutlich zu wenig, und so tüftelte er eine Weile lang vor sich hin. Irgendwann platzte den Rauchlustigen der Geduldsfaden. "Was is'n mit dir los?" – "Tschulli", murmelte Ernesto: "Das ist nicht so einfach, wenn sich alles bewegt." Er war inzwischen dazu übergegangen, auch mal unter der Woche LSD zu naschen. An diesem Dienstag hatte er sich eine doppelte Portion gegönnt.
Wenn es in der Branche so etwas wie seriöse Geschäftsleute gibt, dann war Kasimir ohne jeden Zweifel einer von ihnen. Im Gegensatz zu vielen Kolleg:innen legte er hohen Wert auf Diskretion. Wer mit Kasimir kommunizieren wollte, durfte das nur in einer von ihm entworfenen Code-Sprache. Dabei einen Fehler zu machen, bedeutete, dass man nie wieder kommen durfte. Nachrichten über Telegram löschten sich nach einer Minute automatisch. Kasimir suchte sich seinen erlesenen Kund:innen-Kreis sehr penibel aus. Und er hatte keine Lust auf halbe Sachen. Die Mindestbestellmenge in seinem Portfolio lag bei 25 Gramm.
Die Wohnung von Gizmo sah immer aus wie der hinterletzte Saustall. An der Wand vegetierte irgendetwas vor sich hin, vielleicht war es uralte Tomatensoße. Was es auch war, er wollte es über Monate hinweg nicht entfernen. Generell bekam Gizmo im Grunde genommen überhaupt nichts auf die Reihe, außer für einen permanenten Nachschub an Stoff zu sorgen. Eines Tages empfing er seinen Besuch im Dunkeln. Wegen nicht bezahlter Rechnungen hatte man ihm den Strom abgestellt. Irgendwann landete Gizmo für ein paar Monate im Gefängnis. Als er wieder auf freiem Fuß war, berichtete er, dass er es dort eigentlich ganz entspannt fand. "Da musst' ich mich um nix kümmern."
Schade um die Suppe
Auch Kalle hatte schon einige Jahren hinter Gittern verbracht. Nun war er ein Fastfood-Entrepreneur, betrieb einen gut laufenden Laden und lieferte Leckereien wie überbackenen Schafskäse oder ausgefallene Suppen. Auch wenn er Überlegungen verfolgte, den Einzelstandort zum Franchise auszubauen, war die ganze Operation in ihrem Wesenskern nur eine aufwändige Finte, um Geld zu waschen. Denn Kalle handelte, seit er draußen war, wieder mit Kilos. Irgendwann hatte irgendwer in der Lieferkette von Marokko nach Deutschland die Freundin eines anderen gebumst, ein Schlägertrupp kam zur Vergeltung vorbei, prügelte den Lustmolch halb tot – und das ganze Netzwerk flog auf. Kalle landete erneut im Knast, sein Restaurant machte dicht. Schade um die schmackhaften Suppen.
Yussuf gehörte zu der Sorte von Dealern, die ein kleines Päckchen im Vorbeigehen per Handschlag überreichen und gerne Treffpunkte im Freien ausmachen. Er hatte eine treue Fangemeinde ... ach was, er war Kult! Ein Besuch vor seiner Wohnung in einem Plattenbau, auf der Wiese davor lungert ein gutes Dutzend Halbstarker herum. Was macht ihr denn alle hier? "Na was wohl, wir warten auf Yussuf!" Der lässt sich Zeit. Dann, irgendwann, ist es endlich so weit. Yussuf taucht auf mit zwei fetten Beuteln voller Ecstasy-Pillen, die er triumphierend gen Himmel streckt. "Yussuf ist King!!", kreischt eine begeisterte Meute, die dem Augenschein nach überwiegend aus Minderjährigen besteht.
1 Kommentar verfügbar
Ruby Tuesday
am 04.11.2022