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Christfluencer Torik

Grotesk, aber gefährlich

Christfluencer Torik: Grotesk, aber gefährlich
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Wer Yoga macht, fange sich Dämonen ein: Mit solchen Botschaften richtet sich der christlich-fundamentalistische Influencer Torik an die Netzgemeinde. Auch bei Pride-Paraden ist er präsent – um Homosexuelle zu "heilen".

In einem Videoclip ist der Influencer Torik zu sehen, wie er vor ein paar Wochen auf dem diesjährigen CSD in Freiburg steht und den vorbeilaufenden Menschen durch ein Mikrofon sagt, sie seien wertvoll, richtig wunderbar gemacht, Gott liebe sie. Da Torik ein christlicher Fundamentalist ist, glaubt er allerdings, dass Gott auch Menschen liebt, die sündigen – und zu den Sünden zählen in seiner Glaubenswelt Homosexualität sowie Transidentität. Die muss man entweder überwinden oder heilen.

Der Anfang 20-jährige Torik ist in Lörrach in einem christlich-fundamentalistischen Umfeld aufgewachsen. Sein Vater Dr. Peter Borger ist Kreationist und glaubt daher nicht an die Evolution, sondern daran, dass Gott die Welt erschaffen hat. Er ist Mitglied in der kreationistischen "Studiengemeinschaft Wort und Wissen", deren Sitz in Freudenstadt ist. Sein Sohn sieht aus, wie junge Leute heutzutage aussehen. Dünner Oberlippenbart, weite Klamotten, bisschen 90er-Style. Damit ist er anschlussfähig.

In Internetkreisen ist Torik bekannt, nicht unbedingt, weil er sich eine große Gefolgschaft aufbauen konnte, sondern weil reichweitenstärkere Menschen die Gefahren hinter seinen Aussagen sehen und sich gegen seine Inhalte positionieren. Zum Beispiel der Youtuber Rezo oder das in den Sozialen Medien als AndersAmen aktive, lesbische Pastorinnenpaar Ellen und Stefanie Radtke.

Eher erheiternd wirken Toriks Aussagen zu Yoga, von dem man angeblich Dämonen bekommt, oder dass manche Popmusik unrein ist, beispielsweise die von Taylor Swift: wegen Schlangen im Bühnenbild bei ihren Konzerten. Da deutet sich bereits ein Verschwörungsglauben an, der sich durch weitere Videos zieht. Kürzlich hat er einen Clip geteilt, in dem er von einem Propheten berichtet, der angeblich die Schüsse auf Donald Trump vorhergesehen hat. Torik ist der Meinung, dass es eine höhere Elite gäbe, die nicht möchte, dass Trump die Präsidentschaftswahl gewinnt. Er selbst ist pro Trump.

Konversionstherapien als Straftat vernachlässigt

Len Schmid arbeitet schwerpunktmäßig zum Themenbereich Antifeminismus in der Fachstelle mobirex im Demokratiezentrum Baden-Württemberg. Schmid verweist im Gespräch mit Kontext auf ein "starres Geschlechterbild" des Influencers, "das natürlich zweigeschlechtlich ist" und bei dem "Mann und Frau füreinander bestimmt sind" und "unterschiedliche Aufgaben erfüllen hätten". In einem Video erklärt Torik, die Frau habe sich dem Mann unterzuordnen, sie solle "nicht zänkisch sein, nicht meckern, nicht lästern". Laut Schmid zeige Toriks Ablehnung von Sexualität vor der Ehe eine "klar sexnegative Haltung", und dass er von einem "homosexuellen Lifestyle" spreche, der nicht in den Himmel führe, mache deutlich, dass er "Homosexualität als Wahl ansieht".

Torik äußert sich eindeutig islamfeindlich, glaubt dafür aber an Wunderheilung und führt sie auch gerne selbst durch. Hand auflegen, beten, zack: geheilt. Das hilft anscheinend gegen alles, nur Dämonen müssen richtig ausgetrieben werden. Das kann er aber auch. Davon gibt es etliche Videoclips. Und damit begibt er sich in einen Bereich, der neben einer eventuellen Volksverhetzung auch strafrechtlich verfolgt werden könnte. Konversionsbehandlungen, also Methoden, die Menschen von ihrer Homosexualität oder Transidentität vermeintlich "heilen" sollen, sind in Deutschland gesetzlich verboten.

Dr. Klemens Ketelhut führt zurzeit, gefördert durch das Bundesgesundheitsministerium, die erste Studie zu Konversationsbehandlungen in Deutschland durch. Angesiedelt ist er damit bei Mosaik Deutschland e.V., einem Träger für politische Bildungsarbeit in Heidelberg. Er sagt, das "Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen" sei ein guter Anfang, aber noch lückenhaft. Denn es schütze bisher nur Minderjährige beziehungsweise Menschen, "die nicht einwilligungsfähig sind". Er fügt hinzu: "Es wird gestritten, was das bedeutet."

Im Gegensatz zu anderen Delikten, wie beispielsweise Hassgewalt im Fußball, gibt es für queerfeindliche oder antifeministische Gewalt laut Schmid und Ketelhut keine extra geschulte Staatsanwaltschaft, die sich darauf spezialisiert und ein besonderes Auge auf solche Delikte hat. Deshalb kommt es kaum zu Anklagen. Selten wird jemand zur Rechenschaft gezogen.

Währenddessen betont Klemens Ketelhut, dass diese fundamentalistischen christlichen Kreise "sehr sichtbar sind", wenn es darum geht, "Menschen an sich zu ziehen". Sie feiern tolle Gottesdienste, mit Gesang und Tanz. Auf Instagram sieht das aus wie junge, glückliche Menschen auf einem Musikfestival oder einem Rave. Was im Hintergrund passiert, die "strukturelle Gewalt, die Hierarchie, die unglaublich hohen moralischen Anforderungen, die an die Menschen gestellt werden", das "dringt nicht nach außen".

Im deutschen Bible Belt

Es ist nicht verwunderlich, dass mit Torik ein fundamentalistisch-christlicher Influencer aus Baden-Württemberg kommt. Immerhin gilt die Schwäbische Alb neben dem Erzgebirge als deutscher Bible Belt. Ein Begriff aus den USA, der eine Gegend in den Südstaaten beschreibt, in der besonders viele konservative Christ:innen und Evangelikale leben. Der baden-württembergische Verfassungsschutz beobachtet seit Mai 2023 die "Baptistenkirche Zuverlässiges Wort Pforzheim" aufgrund der Annahme einer "verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates". Seit Mai 2022 wird schon die "Evangelische Freikirche Riedlingen" als "extremistische Bestrebung" beobachtet.

Klemens Ketelhut schätzt auch Torik als gefährlich ein, weil er "eine sehr leicht zu passierende, offene Tür in den rechtschristlichen Kontext ist". Torik selbst ist ein gutes Beispiel dafür, wie man sich immer mehr radikalisieren kann, und wie schnell das geht. Len Schmid von der Fachstelle mobirex verweist darauf, dass "Antifeminismus eng mit anderen Ideologien der Ungleichwertigkeit und Verschwörungsideologien verwoben ist". Auch bei Torik wäre zu erkennen, dass immer neue Verschwörungsnarrative in die Erzählungen eingebunden werden. Außerdem sieht man in den Videoclips, wie sich die Szene vernetzt. In einem sitzt Torik neben Jasmin Neubauer. Ihr wird nachgesagt, sie hätte Wahlwerbung für die AfD gemacht. Sie ist gut vernetzt mit dem erfolgreichen Influencer Leonard Jäger, der neben Verschwörungsmythen auch Ideen der Reichsbürger verbreitet. Verbindendes Element ist die gemeinsame Ablehnung von Homosexualität und die Missachtung von Transidentität.

Dass der Hass nicht im Internet bleibt, sondern sich mit dem auf der Straße vermischt, zeigt sich immer wieder. Etwa beim diesjährigen CSD in Mannheim: Am 13. Juli griff ein bisher unbekannter Mann ein schwules Paar an und schlug den einen, wie die Polizei mitteilt, "mit einem Faustschlag ins Gesicht" nieder, sodass er mit "Verdacht auf Schädel-Hirn-Trauma" ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Im Nachgang der "Monnem Pride" wurden immer mehr Stimmen laut, die von Beleidigungen bis hin zu Übergriffen berichten. Deshalb hat das Orga-Team mittlerweile eine extra E-Mail-Adresse eingerichtet mit dem Aufruf "Zeig Sie an!", an die sich Betroffene wenden können und Hilfe bekommen, Vorfälle zur Anzeige zu bringen.

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Ausgabe 720 / Weiter so, Elon! / Cornelius W. M. Oettle / vor 20 Stunden 56 Minuten
Danke, werd ich mir gleich mal anhören!




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