Besonders empört zeigte sich der Tübinger Direktor des Instituts für osteuropäische Geschichte, Klaus Gestwa, der die "Kreml-Apologetin" am liebsten von der Bühne verbannt hätte. Ebenfalls unerträglich erschien ihm die "Lobhudelei", die Referentin betreffend, durch den VHS-Chef, dem zumindest eine gewisse Sachkenntnis nicht abzusprechen war. Bausch war früher Dozent beim US-Militär und weiß einen Tomahawk von einem Taurus zu unterscheiden. In Kontext hat er seine Überlegungen zum Ukrainekrieg vor zwei Jahren dargelegt.
Wesentlich weniger Widerhall in der Öffentlichkeit fand sein Aufruf "Mehr Diplomatie wagen", den linke Sozialdemokraten aus Baden-Württemberg – unter ihnen das Ehepaar Däubler-Gmelin, Ernst-Ulrich von Weizsäcker, Hilde Matheis – im Juni formuliert hatten. Darin fordern sie einen "sofortigen Strategiewechsel" von Kanzler Olaf Scholz (SPD): statt militärischer Eskalation einen Waffenstillstand und Verhandlungen. Sollte der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, der Nürtinger Nils Schmid, ein Maßstab sein, dann dürfen sich Bausch & Co. keine Hoffnung machen. "Putin verhandelt nicht", beschied er jüngst seinen Kritiker:innen in Tübingen, "solange er glaubt, militärisch Erfolg zu haben."
Ein Militäretat, der Klima- und Sozialpolitik niederwalzt
Mit solch' kühlen Reaktionen wird auch der linke Grüne Hermann rechnen müssen. Er hat sie eingepreist und wird dennoch nicht müde ("Ich will nicht schweigen"), seine Fragen zu stellen: Kann der Krieg mit immer mehr Waffen beendet werden? Ist es realistisch, dass die Militärmacht Russland besiegt werden kann? Mit welchen Mitteln und zu welchem Preis? Was kommt danach? Bisher, sagt er, habe er darauf keine einleuchtenden Antworten bekommen.
Diese Fragen finden sich auch in dem Aufruf "Wege zum Frieden", mit dem er und seine Gruppe zu einem offenen und undogmatischen Dialog einladen ohne die gängige "Beschimpfungslogik" und mit Alternativen im Kopf. Sie möchten den "Gleichklang in Politik und Medien" stören, die Fixierung auf Waffen, Waffen, Waffen aufbrechen und den Versuch wagen, zumindest Zweifler davon zu überzeugen, dass Pazifisten keine Putin-Versteher sind, die das leidende ukrainische Volk im Stich lassen und den Aggressor zur Besetzung Europas einladen. Sie werden jene erreichen müssen, die solidarisch sind mit den Menschen, die noch in der Ukraine leben oder geflüchtet sind und denen gleichzeitig gruselt vor der Vehemenz, mit der Säbelrasseln für "Wehrfähigkeit" und "deutsche Führung" salonfähig wurde.
Und man wird auch noch fragen dürfen, schiebt Hermann nach, ob es gut ist, ganz allgemein betrachtet, Klima- und Sozialpolitik niederzuwalzen mit einem Militäretat, der alle Grenzen sprengt. "Die wirtschaftlichen Kosten für Deutschland nach zwei Jahren Ukraine-Krieg dürften deutlich höher liegen als 200 Milliarden Euro", sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher Anfang diesen Jahres in der Rheinischen Post.
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Kilian Becker
am 22.07.2024- Der russische Überfall auf die Ukraine fand im Frühjahr 2014 statt, nicht im Februar 2022.
- Es findet kein Überbietungswettkampf im Waffenliefern statt, sondern das genaue Gegenteil davon. Die Ukraine bekommt das…