Frau Hahn ist übrigens auch Weltmeisterin im Häkeln, seitdem sie es geschafft hat, 111 Pfosten innerhalb von drei Tagen mit Mützchen zu versehen. Das war 2017. Jetzt hat sie einen Wollgroßhändler an der Hand, der die Umgarnung des Stuttgarter Superblocks als bundesweites Pilotprojekt finanzieren will.
Solche Geschichten mögen bisweilen etwas naiv daherkommen, wenn auch noch gesagt wird, sie sollen den Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubern, angesichts des Tageskampfs im Kapitalismus. Ein Anwalt im Viertel hat schon mit Klage gedroht, wenn ihm der Parkplatz geklaut wird beziehungsweise zugemutet wird, hinter einem Müllauto herzufahren, weil es die geänderte Verkehrsführung so will, und er sich bei einem Gerichtstermin verspätet.
Die Gentrifizierung lauert überall
In Frankfurt, wo auch superblockmäßig geplant wird, wettert die Ökolinke um Jutta Ditfurth dagegen, dass woke Viertel jetzt noch woker werden sollen. Es sollen noch verkehrsberuhigtere Quartiere werden, in denen das Leben grünt und blüht, in denen die Menschen auf der Straße lachen und Kinder spielen, während außerhalb weiter das "übliche Elend herrscht", kommentiert Stadtrat und Ex-"Titanic"-Chef Leo Fischer in der "Frankfurter Rundschau". Die Gentrifizierung lauert überall, auch in der Stuttgarter Augustenstraße, in der Bauträger bereits Wohnungen (154 Quadratmeter für 2,1 Millionen Euro) anpreisen mit dem Hinweis, der Superblock werde "die Lage weiter aufwerten". Andererseits gibt es noch keinen empirischen Beleg dafür, dass das Nichtbauen von Superblocks eine Verelendung der Massen verhindert hätte.
Interessant wird sein, was die spanische Architektin, Stadtplanerin und IBA-Projektleiterin Raquel Jaureguizar im Merlin dazu zu sagen hat. Vor fünf Monaten hat sie in einem Kontext-Interview schon betont, die Stuttgarter Stadtentwicklung müsse "weniger profitorientiert" sein, stattdessen müsse sie die Menschen "in den Fokus stellen". By the way: Die 38-Jährige hat in Stuttgart über soziales Wohnen, unter anderem über die Weißenhofsiedlung, promoviert.
Jetzt wiederholt sie ihre Kritik in den Stuttgarter Zeitungsnachrichten. Ihr fehlen immer noch Fantasie, richtige Bäume, Spaß und Spiel, Fitnessgeräte auf der Straße, das mediterrane Gefühl. Was ihr nicht fehlt, sind die Parkplätze. Sie werden im neuen Superblock kaum reduziert, von 750 runter auf 730, was bei 3.000 Bewohner:innen im Superblock nicht nachhaltig ins Gewicht fällt. Das meint sie wahrscheinlich, wenn sie den "Mut zu großen Schritten" nicht zu erkennen vermag. Stattdessen höre sie oft den Hinweis: "Was kostet das, das brauchen wir nicht, wir sind nicht Berlin oder Barcelona." Auf die Antwort von Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne), der mit ihr auf der Bühne sitzt, darf man gespannt sein.
0 Kommentare verfügbar
Schreiben Sie den ersten Kommentar!