Kein Vergleich mit Barcelona: Auf Bildern von den drei Superblocks um die Markthalle Sant Antoni in Barcelona sind keine Autos zu sehen. Nur Spielplätze und Baumkübel, Tische und Bänke, Fußgänger und Radfahrer. Der Autoverkehr ist zwar nicht völlig verbannt, aber nur Anwohner:innen und Lieferverkehr dürfen in den Superblock hinein und das nur im Schritttempo. Fußgänger haben Vorfahrt. Geparkt wird in Tiefgaragen.
Das ist das große Thema in Stuttgart: Es könnte ein heilig's Parkplätzle wegfallen. Aber tut's das wirklich? In Wirklichkeit, sagt Ulrich Heck, sei der Verkehrsversuch nur genehmigt worden, weil anderswo Ersatzparkplätze nachgewiesen wurden: unter anderem in der Tiefgarage der Allianz, die bald nach Vaihingen umzieht. Unterm Strich könnten es sogar mehr Parkplätze werden. Das ist nicht das, was Heck will. Er wünschte sich, dass die Anwohner:innen auf das eigene Auto verzichteten, was so schwierig nicht sein dürfte: Das Quartier ist mit zwei S-Bahn-Stationen gut an den ÖPNV angeschlossen, für Radler:innen wird vieles besser und wer dennoch gelegentlich ein Auto brauche, könne auf sechs geplante Stellplätze des Carsharing-Anbieters "Stadtmobil" zurückgreifen.
Architektin Griebenow glaubt, die Zustimmung der Anwohner:innen sei viel größer als die Stadt vermute. Im Bezirksbeirat kann Vorsteher Bernhard Mellert (Grüne) von einem einstimmigen Ja zum Verkehrsversuch berichten, selbst die CDU habe beantragt zu untersuchen, ob sich der gesamte Stuttgarter Westen in Superblocks umwandeln lasse. Allerdings lerne er auch andere Meinungen kennen, und deshalb sei das Ausprobieren wichtig, um den Menschen zu zeigen, dass die Lebensqualität steige und die Stellplatzfrage keine unüberwindlichen Schwierigkeiten bereite.
Stuttgart schafft gerade mal den Mindeststandard
Das lehrt auch das Beispiel Barcelona. Als dort im Stadtteil Poblenou 2016/17 einer der ersten großen Superblocks entstand, stieß dies anfangs auf heftige Kritik. Inzwischen achtet die Stadt darauf, die Anwohner:innen rechtzeitig einzubinden. Alles wird untersucht: die Auswirkungen auf die Gesundheit ebenso wie für den Einzelhandel, der von der Verkehrsberuhigung nachweislich profitiert. Als Händler kürzlich gegen eine neue Fußgängerzone klagten und Recht bekamen, beeilten sie sich zu sagen, dass sie die Verkehrsberuhigung keinesfalls rückgängig machen wollten. Sie hatten nur der im Juni 2023 abgewählten linken Bürgermeistern Ada Colau eins auswischen wollen.
Durch die Neuwahl ist das Vorhaben in Barcelona ein wenig ins Stocken geraten. Colaus Nachfolger Jaume Collboni, Sozialdemokrat, muss auf die Konservativen vom Partido Popular Rücksicht nehmen, die ihm gegen den Separatisten Xavier Trias ins Amt geholfen haben. Doch die Idee ist nicht aufzuhalten. Im März hat in Barcelona das erste Internationale Superblock-Meeting stattgefunden, mit Beteiligten aus 15 europäischen Städten.
Auch in Deutschland gab es im November in Darmstadt eine erste Superblock-Konferenz mit 27 beteiligten Städten. Eine Fachgruppe des Vereins "Changing Cities" hat dort ihre Empfehlungen vorgestellt. In drei Stufen: Mindeststandard, Regelstandard und Goldstandard. Der Stuttgarter Verkehrsversuch entspricht dem Mindeststandard, aber nicht dem Regelstandard. Denn dazu gehört auch, dass mindestens 25 Prozent der Straßenränder für blau-grüne Infrastruktur wie Bäume und Regenwasseraufbereitung reserviert sind. Die Aktivist:innen der Quartierswerkstatt Augustenstraße hätten es lieber heute als morgen so.
Jan Lutz, seinerzeit Ideengeber des Reallabors für nachhaltige Mobilitätskultur und nun seit einigen Jahren beim Carsharing-Anbieter Stadtmobil tätig, unterstützt das mit der nötigen Skepsis. "Nach den Schwierigkeiten, die wir früher hatten, Stellplätze für unsere Fahrzeuge zu bekommen, ist das schon ein Fortschritt", sagt er, "besser, es geht langsam voran als gar nicht." Immerhin: Dem Bürgerrat folgend, hat der Gemeinderat beschlossen, Ende 2025 zwei weitere Superblocks entstehen zu lassen. Einen im Lehenviertel und einen am Stöckach. Grüne, SPD, Puls und FrAktion stimmten dafür.
7 Kommentare verfügbar
Ralph Kulling
am 11.07.2024Sie sollten nicht "nachbeten", sondern selber recherchieren, dann wüssten Sie, dass im Superblock über 100 Parkplätze weggefallen sind - übrigens von knapp 500 und nicht von 750.
Sie sollten auch einmal die Situation Barcelona mit der Situaltion…