Warnstufe: Gefahr! Heißt es knallrot unterlegt bei denen, die Nina auf dem Handy haben, die Warn-App des Bundesamts für Bevölkerungsschutz. Im Wasser aus dem Hochbehälter Brand, der vor allem die Böblinger Innenstadt und den Teilort Dagersheim mit Trinkwasser versorgt, wurden am Mittwoch vergangener Woche Kolibakterien gefunden. Woher sie kommen? Unklar, man sei auf der Suche, sagen die Stadtwerke. Bis wann sie bleiben? Auch unklar. Nun ist das Wasser aus dem Hahn gechlort und soll, so heißt es, sieben Minuten abgekocht oder gleich in der Flasche gekauft werden.
Gemüse und Obst abwaschen: bitte nur mit Flaschenwasser. Duschen geht, zum Zähneputzen wird Wasser aus der Flasche empfohlen. Waschmaschine ist unbedenklich, aber Spülmaschinen bitte nicht im Sparprogramm laufen lassen, und wer von Hand spült, solle das bitte mit abgekochten oder Mineralwasser machen. Auch Haustiere sollen das Wasser aus dem Hahn nicht mehr unbehandelt in den Napf bekommen, Aquarien, allein wegen des Chlors, sowieso nicht. Wer doch ein größeres zu befüllen hat, dem empfiehlt die Homepage der Stadtwerke, das Wasser über Nacht in der Badewanne stehen zu lassen, damit sich das Chlor verflüchtigt.
Cell-Broadcasting rührt sich nicht
Natürlich hat die Stadt Böblingen gewarnt. Im "direkten Kontakt" Schwimmbäder, Krankenhäuser, Pflegeheime, Kitas, E-Mail-Verteiler der Gewerbetreibenden in der Stadt, über Warn-Apps wie Nina, über Cell-Broadcasting auf jedes Smartphone, über die Lokalzeitung, SWR Radio und Fernsehen und über die städtischen Social-Media-Accounts.
Cell-Broadcasting, das lässt sich aus eigener Erfahrung sagen, hat nicht funktioniert, vielleicht fehlt irgendeines der andauernd geforderten Updates fürs Telefon. Nina stieß zwar werktäglich einen Warnton aus, hatte am Wochenende aber frei. Auf Facebook hat die Stadt seit Mittwoch zweimal informiert. Der erste Post wurde zwölfmal geteilt, der zweite einmal. Immerhin gefallen beide auch auf Instagram ausgespielten Posts um die 70 Leuten der 50.000 Einwohner-Stadt Böblingen, zwei Kommentare – "Bleiben die Bakterien auf getrocknetem Geschirr haften?" "Wie lange dauert das noch?" – bekommen keine Antwort. Auf den Social-Media-Kanälen der Stadtwerke gibt es einen einzigen Post, die zwölf Kommentare, darunter drei Fragen ("Kein Update seit Mittwoch? Gab es eine Entwarnung?" oder die kluge Frage "Was ist jetzt?"), werden nicht beantwortet.
Die Information, dass die "Verunreinigung" von Kolibakterien kommt, ließ anfangs auf sich warten. Meldungen, wie weit man denn jetzt gediehen ist mit der Ursachenforschung, gibt es von den Stadtwerken nicht, man suche noch. Auch keine klare Aussage dazu, wie schlimm das Ganze nun eigentlich ist. Von "situativen Netzproben" ist da die Rede, von Verunreinigungen an "einzelnen Stellen im Trinkwassernetz", die "möglicherweise zu einer Gesundheitsgefährdung" führen können. Und, das klingt schon anders, vom: "Abkochgebot!" Sieben Minuten! Wer wissen will, wie hoch die Gefahr ist, wenn man schon von dem Wasser getrunken hat, oder was zu tun ist, wenn einer eine Chlorallergie hat, wird an den Hausarzt verwiesen – man dürfe als Stadtwerke "keine Aussagen zu medizinischen Anliegen treffen".
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Stefan Weidle
am 06.09.2023