Die Frau mit der Schirmmütze sitzt auf ihrem Campingstuhl an der Straße und winkt, wer auch immer vorbeikommt. Sie hat viel Zeit und erzählt, wie es zuging an jenem Dienstag vor fünf Wochen, als in Killer die Koordinaten verrutschten. "Komm mit", hätten sie ihr zugerufen, "wir wollen das Flüchtlingsheim verhindern." Ihr macht das schon recht, habe sie den Menschen auf dem Weg zum Bürgertreff geantwortet. Irgendwann setzte sie sich in den Hinterhof, weil ihr die Hand lahm wurde vom vielen Winken. "Die Killermer können richtige Sauen sein, wenn ihnen was nicht passt", sagt sie anerkennend. Über dem Haus gleich gegenüber weht eine Reichsbürgerflagge.
Killer ist ein 600-Seelendorf auf der Schwäbischen Alb, eingemeindet in die Kleinstadt Burladingen. Das Ortsschild fällt in schöner Regelmäßigkeit Souvenirjägern zum Opfer. Im alten Bahnhof untergebracht ist Deutschlands einziges Peitschenmuseum. Seit dem Eklat um die Unterbringung von Geflüchteten ist Killer außerdem bekannt als der Ort in Baden-Württemberg, wo ein Landrat ebenso niedergeschrien und geschmäht wurde wie die wenigen Menschen, die sich schämten für ein Treffen, bei dem neben Wut kein Platz für Argumente blieb.
Nach dem Aufruhr herrscht Schweigen im Ort. Erschrecken und Angst über das, was da ans Tageslicht gekommen ist bei den einen. Heimliche Freude darüber, es "denen da oben" gezeigt zu haben, bei den anderen.
Da ist etwas gekippt
Landrat Günther-Martin Pauli, 58, ist hart im Nehmen und als ehemaliger Schiedsrichter kampferprobt. Vor wenigen Wochen erst wurde er von 48 der 54 Kreisräte im Zollernalbkreis in die dritte Amtszeit gewählt. Die hätte etwas ruhiger anfangen können, sagt Pauli. Andrerseits steckt er schon mal den "Finger in die Wassertemperatur", um zu merken, hier kocht was auf. Das hat er beim spontanen Besuch beim Bürgertreff in Killer schnell gemerkt. Bei allem berufsbedingten Optimismus stellt er nach seinen Erlebnissen fest: "Da ist etwas gekippt."
15 Kommentare verfügbar
Gerald Wissler
am 26.08.2023Statt in Killer 40 Flüchtlinge unterzubringen, könnte der Landrat doch auch in Balingen eine entsprechende Anzahl unterbringen, von seinem Büro aus könnte er dann regelmäßig selbst nach dem Rechten sehen.
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