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Gemeinwohlökonomie in Schwäbisch Hall

Gemeinsam anders wirtschaften

Gemeinwohlökonomie in Schwäbisch Hall: Gemeinsam anders wirtschaften
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Neue Wege geht das Wohnprojekt "Trauben und Rosinen" in Schwäbisch Hall. Und lädt am Samstag zu einem Themennachmittag ein mit Initiativen aus der Stadt und dem Landkreis, die nach anderen Formen des Lebens und Wirtschaftens suchen.

"Der Kapitalismus feiert Abschiedsparty", las Janine Scheible im Juli 2021 auf einer Postkarte am Stand der Gemeinwohlökonomie auf der Fairen Meile in Schwäbisch Hall. "Unser jetziges Wirtschaftssystem steht auf dem Kopf", erklärt der österreichische Autor Christian Felber, der die Methodik entwickelt hat, nach der sich Unternehmen an ethischen Kriterien messen lassen können. Auch das Wohnprojekt Trauben und Rosinen in Schwäbisch Hall findet, dass die Welt auf dem Kopf steht, wenn Wohnungen dazu da sind, Profite zu machen statt den Grundbedürfnissen der Menschen zu dienen.

Das brachte Janine Scheible von Trauben und Rosinen auf die Idee einer gemeinsamen Veranstaltung am kommenden Samstag, die sie mit Heide Öchslen und Helene Urbain vorbereitet hat. Öchslen ist Eine-Welt-Promotorin, aktiv im Verein "Nachhaltige Entwicklung SDGs". SDG steht für die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Social Development Goals) der Vereinten Nationen. Der Verein und die Promotor:innen setzen sich für eine global gerechte und nachhaltige Entwicklung ein. Urbain, Mikrobiologin, lebt in der Gemeinschaft Schloss Tempelhof zwischen Crailsheim und Dinkelsbühl. Sie war an der Ausarbeitung der Gemeinwohlbilanz der Landkommune beteiligt und gehört zu den Autorinnen der Studie "Leben in zukunftsfähigen Dörfern".

Trauben und Rosinen: Das sind fünfzehn Personen aller Altersgruppen, die derzeit im Areal "Am Sonnenrain" bei Schwäbisch Hall-Hessental ihr eigenes Wohnhaus bauen. Es wird aber nur zu 51 Prozent ihr Eigentum sein, die andere Hälfte, genau 49 Prozent, gehören dem Mietshäuser Syndikat. Damit ist satzungsgemäß ausgeschlossen, dass es jemals privatisiert, verkauft oder zum Gegenstand der Immobilienspekulation wird. "Solidarisch, nachhaltig, bezahlbar, unverkäuflich, generationenübergreifend", steht am Bauzaun.

Der Holzhof Gerabronn erstellt eine Gemeinwohlbilanz

Die Gruppe, die sich in Hall für die Gemeinwohlökonomie einsetzt, ist klein. Im ganzen Landkreis gibt es bisher nur wenige Betriebe, die eine Gemeinwohlbilanz erstellt haben, wie etwa die Schreinerei "Der Holzhof" in Gerabronn. Aber es gibt in Hall, der Stadt der Bausparkasse und von Reinhold Würths Club der Milliardäre, eine große Anzahl von Initiativen, die sich ein anderes Leben und Wirtschaften auf die Fahnen geschrieben haben.

Über einige von ihnen hat Kontext unlängst berichtet, darunter das Wohnprojekt Trauben und Rosinen, Tobias Schlüters offene "WerktStadtHall" oder Silvia Oforis Verein Global Solidarity, die nun auch am Themennachmittag "Neue Wege gehen: anders leben – anders wirtschaften" am Samstag teilnehmen. Dazu kommen: die Gruppe Urban Garden, die neben ihrem Gemeinschaftsgarten jedes Jahr im Mai eine Setzlingstauschbörse betreibt und unlängst auf der hohen Mauer des Haller Schiedgrabens einen Insektengarten angelegt hat; die Unterstützer der Genossenschaft Oikocredit, die Mikrokredite in arme Länder vergibt, und die Haller Foodsharing-Gruppe.

Solchen oftmals kleinen, noch wenig bekannten Initiativen möchte Scheible mit dem Themennachmittag ein Forum bieten, um mehr Aufmerksamkeit auf sie zu lenken. Beteiligt sind auch Projekte aus dem Landkreis: von der solidarischen Landwirtschaft nahe dem Freilandmuseum Wackershofen bis hin zur Gemeinschaft Schloss Tempelhof, von der Helene Urbain viel erzählen kann.

Die Gemeinschaft Schloss Tempelhof stellt ihr Dorf vor

Eine faszinierende Geschichte: Zwanzig Münchner:innen erwarben 2010 das verlassene Dorf samt Schloss aus dem 17. Jahrhundert. Inzwischen leben dort 120 Menschen. Das Dorf erzeugt seine Lebensmittel selbst. Es gibt eine eigene Schule, eine Werkhalle als Ausbildungsstätte für junge Handwerker befindet sich im Bau, von einem Tiny-House-Bauprojekt ausgehend. Einige der jungen Handwerker sind auch am Projekt "T amie h" in Crailsheim beteiligt, das heißt rückwärts gelesen Heimat und bezieht sich auf einen kleinen Militärflugplatz aus der NS-Zeit, den eine Initiative zu einem multikulturellen, urbanen Stadtviertel entwickeln will. Auch die Fliegerhorst-Initiative wird am Samstag nach Hall kommen.

Auf der Straße vor dem Haus der Vereine, vom Marktplatz nicht weit entfernt, aber etwas versteckt ganz oben in der Straße Am Schuppach gelegen, soll ein Flohmarkt stattfinden, um auf die Veranstaltung aufmerksam zu machen. Im Haus stellen sich auf drei Etagen die Initiativen vor. Es gibt Kaffee und Kuchen, ein Zauberer sorgt für Abwechslung. Über das Mietshäuser Syndikat und Fair Trade informieren die Filme "Das ist unser Haus" und "Hohenlohe Fair".

Um 17 Uhr diskutieren Scheible und Urbain mit Maria Engel von der Haller Gruppe der Fridays for Future, den Gemeinderäten Joachim Härtig (Bündnis 90/ Die Grünen) und Ludger Graf von Westerholt (CDU) sowie Frank Harsch (CDU), dem Bürgermeister der unwettergeschädigten Kommune Braunsbach. Von den Fridays wollen sie wissen, was sich an unserer Lebensweise ändern muss, von der Kommunalpolitik, was sie dazu beitragen kann.


Das Programm am Samstag, dem 1. Oktober: Ab 14 Uhr stellen sich Initiativen vor, um 17 Uhr Podiumsdiskussion. Haus der Vereine, Am Schuppach 7, Schwäbisch Hall.


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