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Wut und Trauer um Weiden

Gnadenlos abgehackt

Wut und Trauer um Weiden: Gnadenlos abgehackt
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In Sigmaringen lässt eine Investorengruppe um den "Fürst von Hohenzollern" alte Weiden fällen. Der Hotelbetreiber beteuert, dass er ausschließlich aus Sicherheitsgründen so gehandelt hat. Für die Naturschützer vom Nabu ist offensichtlich, dass es um den ungehinderten Blick aufs Schloss ging.

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Alfred Bauernfeind steht an einem kalten Februarmorgen auf der Donaubrücke in Sigmaringen und blickt auf die Szenerie am Ufer. Rechts thront das Hohenzollernschloss, links ist ein Hotelneubau zu erkennen. Drei-Sterne-Superior-Hotel ist auf dem Werbeplakat zu lesen – Eröffnungstermin Frühjahr 2021. Von der Brücke aus erkennt man einen riesigen Holzstapel. Die mächtigen, mindestens 15 Meter hohen alten Bäume, gefällt von den forstlichen Mitarbeitern der Unternehmensgruppe Fürst von Hohenzollern.

Die Unternehmensgruppe ist Mitinvestorin des neuen Hotels, auf das Sigmaringen lange gewartet hat. Seit Jahren diskutierte man in der Stadt. Den Zuschlag bekam schließlich die schwäbische Linie des Hauses Hohenzollern. Oberhaupt ist Karl Friedrich von Hohenzollern, der in der Öffentlichkeit gerne den Zusatz "Fürst" führt, obgleich diese Namensbezeichnung formal seit Ende des Ersten Weltkriegs abgeschafft wurde. Er selbst geht damit offensiv um, "die namensrechtliche Regelung betrachte ich als nicht relevant, wenn die Bürger den Titel akzeptieren", sagte er einst der Schwäbischen Zeitung. Das hat Wirkung. In Sigmaringen spricht man auch heute noch vom "Fürst", meist eingebettet in die Antwort auf die Frage, wem etwas gehöre: "Des g'hört em Fürscht!"

Denn dem gehört in dem ehemaligen "Hohenzollerischen Lande" ziemlich viel. Unter anderem riesige Waldareale, 12.800 Hektar in Baden-Württemberg, sogar 2.000 Hektar in Bayern. Und auch das Grundstück, auf dem das Hotel steht, war im fürstlichen Besitz. Dort – vierstöckig, 70 Zimmer, Preise ab 116 Euro pro Nacht, die hochpreisigen Suiten (eine Nacht kostet rund 400 Euro) gehen gen Süden, mit Blick zum Schloss – wird gearbeitet, schließlich sollen – wenn der Lockdown vorbei ist – die ersten Gäste kommen. Der Blick über die Donau zum Schloss ist ohne Zweifel erhaben, wenn da nicht diese Weiden wären. Die stehen hier seit 60 bis 70 Jahren. Vielmehr standen. Denn drei sehr stilprägenden Bäume stehen dort nicht mehr.

Die Weiden waren nicht krank, sagt der Nabu-Chef

Alfred Bauernfeind blickt zu dem Baumstapel der frisch gefällten Bäume. "Ich kenne niemanden, der wollte, dass die alten Weiden fallen, aber der Fürst wollte das so!" "Der Fürst", da ist er wieder. Er bildet mit dem Sigmaringer Gastronomen Soufyen Charni die Investorengemeinschaft. Diese hat das Filetgrundstück für den Hotelbau "Karls Hotel" ausgesucht (Slogan "Karl 's kommt"). Der vierstöckige Bau überragt die Kulisse, vis-à-vis vom Hohenzollernschloss, dem Aushängeschild der 17.000-Einwohner-Stadt.

Die Aussage von Bauernfeind, dem Vorsitzenden des Nabu, Ortsgruppe Sigmaringen, ist brisant: Er hat für den Neubau eine freiwillige Stellungnahme aus Naturschutzsicht abgegeben. "Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass aus Artenschutzgründen die Bäume erhaltenswert sind", sagt er. "Die Bäume waren aus meiner Sicht nicht krank, auch im Sommer haben sie Laub getragen", erklärt Bauernfeind. Dass die Bäume wegen Krankheit gefällt wurden, weiß Bauernfeind aus der Schwäbischen Zeitung. Dort wird der Immobilienverwalter der Unternehmensgruppe Fürst von Hohenzollern, Thomas Kanjar, zitiert, die Bäume seien altersschwach gewesen. Den Vorwurf, dass die Bäume wegen des ungehinderten Blicks aufs Schloss gefällt wurden, lässt er nicht gelten. Das sei ein Nebeneffekt, aber nicht der Hauptgrund. Eher hätten Risse im Kern die Fällung notwendig gemacht, um die Verkehrssicherheit wegen herabfallender Äste zu wahren. "Wenn das so wäre, dass man Weiden mit Kernrissen per se fällen müsse, dann müsste man viele Weiden fällen", kontert Bauernfeind.

Die Pressestelle der Stadt Sigmaringen lässt mitteilen, dass die Verkehrssicherheitspflicht rund um die Weiden geprüft wurde und dass davon keine Gefahr ausgegangen sei. Und viele fragen sich: Wo sind eigentlich die Grünen?

Die sind im Sigmaringer Stadtrat mit sieben GemeinderätInnen – zusammen mit den Freien Wählern – hinter der CDU die zweitstärkste Fraktion. "Wir hätten die Bäume gerne behalten, haben aber diese Kröte geschluckt", sagt dazu die Fraktionsvorsitzende Ursula Voelkel. Denn im Zuge des Hotelneubaus sollte auch die dort stehende Donaubühne und das Grün herum umgestaltet werden, so wurde es in nichtöffentlicher Sitzung besprochen. Zumindest der Bühne stand ein Baum im Weg. Und da die Gespräche über einen Neubau schon seit Jahren geführt wurden, sei man damals einfach froh gewesen, dass es nun vorangehe. "Wir freuen uns über das Hotel", sagt die Kommunalpolitikerin, räumt aber ein, dass man sich dafür hätte einsetzen können, das Thema Baumfällung in einer öffentlichen Sitzung stärker zu fokussieren. Das hätten sich viele von den Grünen schon erwartet.

Keine Rodung, sagt die Naturschutzbehörde

Denn die Naturschutzbehörde beim Landratsamt war bei der Aufstellung des Bebauungsplans mit dabei und hat eine eindeutige Stellungnahme abgegeben, die allerdings nicht bindend ist, sondern nur der Stadt zur Erstellung des Bebauungsplans vorliegt. Hier steht: "Weil eine etwaige Rodung der großen Weidenbäume und weiterer Vegetation thematisiert bzw. nicht ausgeschlossen wird, sei aus Sicht der Naturschutzbehörde darauf hingewiesen, dass solche Fällungen/Rodungen vermieden werden sollten, da es nicht notwendig erscheint und bestehende Strukturen der Natur beeinträchtigen würde."

Auch bezüglich des Naturraums wurde eindeutig Stellung bezogen: "Die hochgewachsenen Bäume prägen den Blick auf das Donauufer und gewährleisten, dass die vorhandene und geplante Bebauung harmonisch in die Umgebung eingebettet wird (…)".

Im Umweltsteckbrief, der dem Gemeinderat ebenfalls vorliegt, wird davon ausgegangen, dass die drei Bäume einen gesunden Stamm haben.

Schade, dass die Stellungnahme der Naturschützer im Landratsamt nicht bindend ist. Aber hätte die Stadt und der Gemeinderat, vor allem aber die Grünen nicht darauf drängen müssen, ein Baumgutachten zu erstellen, nachdem die untere Naturschutzbehörde von der Fällung abriet und auch eine Verkehrssicherungsschau keine Gefahr gesehen hat? Wurde Druck ausgeübt nach dem Motto: Wenn ihr das Hotel wollt, dann unter unseren Bedingungen?

"Wir haben uns die Bäume angeschaut, die waren vorgeschädigt, zum Teil mit kahlen Ästen. Daher war es eine Frage der Abwägung – auch mit Blick auf das gesamte Ensemble mit der Donaubühne –, uns so zu entscheiden", verteidigt sich Ursula Voelkel gegenüber Kontext. Ein Baumgutachten – wie man von den Grünen erwarten könnte – haben die Sigmaringer Grünen nicht gefordert. Ob Druck ausgeübt wurde, darüber lässt sich spekulieren. Und in den anderen Fraktionen möchte man sich mit dem Thema offensichtlich nicht weiter beschäftigen. Die Mailanfrage an die Fraktionsvorsitzenden von SPD, CDU und Freien Wählern zu den Baumfällungen und der Stellungnahme der Naturschutzbehörde blieb auch nach fünf Tagen unbeantwortet.

"Selbstverständlich legt die Stadt Wert auf ein ausgewogenes Verhältnis von Naturschutz und städtebaulicher Entwicklung", schreibt die Pressestelle auf die Anfrage, wie es die Stadt mit Naturerhaltung versus Versiegelung hält.

Es geht nur um Sicherheit, sagt der Investor

Bleibt noch die Investorengruppe mit dem Hotelbetreiber Soufyen Charni. Der taucht unvermittelt auf beim Fototermin am Donauufer, der Gastronom wirkt nervös, fragt nach der Erlaubnis zum Fotografieren. Er und die Unternehmensgruppe Fürst von Hohenzollern fühlen sich unverstanden. Der Fürst habe mit den Baumfällungen eigentlich nichts zu tun, "ich als Hotelbetreiber habe Angst, dass durch herunterfallende Äste Menschen zu Schaden kommen", sagt Charni, "Sie wissen gar nicht, was da los wäre, wenn was passiert". 2001 wurde bei einem Gewittersturm in Straßburg eine 40 Meter hohe Platane entwurzelt und stürzte auf ein Zelt. Das tragische Ereignis kostete 13 Menschen das Leben, es gab mehrere Schwerverletzte, daran erinnert Charni: "Wissen Sie, ich hatte auch andere Sorgen als mich nur um die Bäume zu kümmern." Tatsächlich hat das Hotel eine Stange Geld gekostet, es steht eine Summe von 10 Mio. Euro im Raum. Auch Bäume wolle man pflanzen, 30 Stück. Das betont auch Immobilienverwalter Kanjar, der in der Zeitung zitiert wird, dass man das freiwillig tue. Er erwähnt nicht, dass die Ausgleichsmaßnahme für die Baumfällung Baumpflanzungen verpflichtend vorsieht.

Für die BesucherInnen der Mahnwache ist unterdessen das Urteil gegen die Hotelbetreiber schon gefällt. "Herr Kanjar, ich glaube Ihnen nicht", steht auf einem Schild und eine junge Frau heftet ein anderes an den Bauzaun. "Da haben die aber Glück gehabt, dass ausgerechnet die Bäume krank waren, die die Sicht versperrt haben!"


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3 Kommentare verfügbar

  • M. Aldinger
    am 25.02.2021
    Antworten
    Dieser fantasielose Hotelklotz im Playmobil-Design ist halt das, was man sich in Sigmaringen (MP Kretschmann wohnt ja nicht weit weg) und natürlich auch in Stuttgart als „Fortschritt" und „modern" vorstellt. Wo der gemeine Schwabe „Fortschritt" und Profit wähnt, muss Natur weichen … siehe…
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Ausgabe 459 / Grüne Anfänge mit braunen Splittern / Udo Baumann / vor 1 Tag 9 Stunden
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