Schon klar, dass ein fleischgewordenes Einhorn die Hirnlappen vieler BürgerInnen und JournalistInnen frittiert, weil es Remsi, dem blutleeren Bienen-Maskottchen der Remstal-Gartenschau, die Show stiehlt und es offensichtlich trotz Wahlkampf grad keine aktuellen Aufreger gibt. Äh, was? Okay von vorn. What the actual fuck happened?
Rückblick. 13. Mai, Eröffnung der Remstal-Gartenschau 2019 in Schorndorf: Alle Ober- und anderen Bürgermeister der 16 teilnehmenden Kommunen waren angehalten, zur interkommunalen Eröffnung ein Maskottchen mitzubringen, das ihre Städte und Gemeinden repräsentiert. Wer sich nun fragt, was die jeweiligen Bürgermeister so mit auf die Bühne brachten, muss jäh enttäuscht werden. Denn darüber ist schlichtweg nichts berichtet. Der Oberbürgermeister von Schwäbisch Gmünd, Richard Arnold (CDU), hat mit seinem Maskottchen alle anderen Gemeinden in den Schatten gestellt und dafür gesorgt, dass seine Stadt und die Remstal-Gartenschau deutschlandweit Aufmerksamkeit bekommen. Jetzt ist Baden-Württemberg um eine Spießer-Posse reicher.
Oh. Mein. Gott. Sexferkel-Attacke auf der Gartenschau!
Vor 15 000 Besuchern präsentierte der CDUler die Interpretation des Wappentiers seiner Stadt in Fleisch und Farbe: eine Frau, die aufwendig vom zweifachen Mögglinger Bodypainting-Weltmeister Udo Schurr mit Bodypainting-Farbe und Kopfschmuck in ein Einhorn verwandelt wurde und breit grinsend und glitzernd mit den Bienchen um die Wette strahlt. Oh. Mein. Gott. Skandal! So gut wie nackt! Schlimm! Denkt dieser perverse Christdemokrat denn nicht an die Kinder?! Sexferkel-Attacke auf der Gartenschau!
Binnen Stunden verbreiteten sich die Bilder in den Sozialen Medien und schwangen sich zum Wutbürger-Crescendo auf, als die Nachricht die Runde machte: Das Einhorn ist kein Model, sondern die Schwäbisch Gmünder Linken-Stadträtin Cynthia Schneider. Wie gut ist das denn, bitte? War die Politikerin anfangs noch in ein Cape gehüllt, soll dem ebenfalls anwesenden Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) laut Ohrenzeugen ein erstauntes "Jesses, die isch ja ganz nackich!" entwichen sein. Der SWR übertrug die Einhorn-Show live im Fernsehen. Speziell für Remsi, das offizielle Remstal-Gartenschau-Maskottchen, muss der extravagante Auftritt des Schwäbisch Gmünder Unicorn-Tag-Teams ein Tiefschlag mit der Fliegenklatsche gewesen sein: Erschien der debil grinsende Brummer in Gegenwart des fleischgewordenen Einhorns doch noch viel langweiliger als zuvor.
7 Kommentare verfügbar
Cucu
am 29.05.2019Mit "prüde" und "verklemmt" hat das nichts zu tun. Im übrigen kriegen das Frauen seit Jahrzehnten zu hören, wenn sie sich gegen sexistische Sprüche von Männern wehren.
Barbara Dedie
am 25.05.2019Lowandorder
am 24.05.2019Entschuldige mich also ausdrücklich.
Wat höbt wi lacht.
A. Spaichinger
am 23.05.2019Die Bruscht ghert natirlich weg. Ha, des goht doch it!
Das Remstal gehört halt zur ironie- und spaßfreien Zone. Kunst ist eben auch die Kunst, jemand den Spiegel (der Toleranz) vorzuhalten. Das ist hier bestens gelungen.
petra
am 23.05.2019- was Menschen, die den Auftritt von Frau Schneider anders sehen, als Sie, Frau Wolf, alles so sind! Lassen Sie mich Ihnen mit einem ganz wunderbaren Kommentar der Journalistin Bea Wiese zum Thema Eröffnung der Remstalgartenschau antworten:
Muss das Einhorn nackt sein? Über einen Blickfang ohne Produktbezug
Sind sie von gestern? Verklemmt, gar rückschrittig?, die Menschen, die den Auftritt von Cynthia Schneider als fast nacktes Einhorn kritisieren.
Wenn die Stadträtin Cynthia Schneider privat ins Freibad geht, juckt es niemanden, ob sie Bikini oder Einteiler trägt.
Bei der Eröffnungsfeier der Gartenschau aber war sie in offizieller Mission unterwegs. Angefragt von OB Arnold persönlich.
Spätestens da ist das Private nicht mehr privat, sondern politisch im ureigenen Sinn.
Sie soll das Maskottchen der Stadt, ein Einhorn verkörpern. Warum muss sie dazu nackte Haut, nackte Brüste zeigen? Warum obendrein das Einhorn so phallisch auf den Kopf geschnallt?
Gmünds Stadtverwaltung und der Bodypainting-Künstler Udo Schurr mühen sich redlich, das Ganze mit dem Deckmäntelchen der Kunst zu verhüllen. Verständlich, aber hier ist klar: Es ging darum, für das Produkt Schwäbisch Gmünd zu werben. Mit einem mehr oder weniger nackten Frauenkörper, der keinen inhaltlichen Zusammenhang zum Produkt hat – abgesehen vom peinlichen Einhorn.
So wird der Frauenkörper zur Ware – wie anders als „sexistisch“ soll man das nennen?
Nicht die Kritik am Auftritt ist rückschrittig, sondern diese Art von Werbung – erinnert sie doch fatal an Pirelli-Kalender und Afri-Cola-Werbung aus den Sechzigern, als sich nackte Frauen lasziv Cola in den Rachen schütteten. Der Frauenbewegung hat dieser Auftritt einen Bärendienst erwiesen.
Anarchrist
am 24.05.2019ich kann nachvollziehen, dass Sie so denken, wie Sie es hier dargestellt haben. Unsere Kultur hat sich so verklemmt entwickelt. Doch nackte Haut und Körperteile sind nur in der Nebensache mit der sexuellen Seite einer Person verknüpft. In erster Linie sind sie einfach nur Haut und Körperteile, also Mensch.
Wenn Sie das anders sehen, was Ihnen unbenommen ist, liegt das an ihrer Bindung an unsere Kultur, was zu einer einer einfachen und einseitigen Interpretation des Gezeigten führte und sich nicht daran orientierte, was wirklich zu sehen war: eine komplexe Persönlichkeit in einer komplexen Struktur.
Ich und andere wirklich freiheitliche Menschen sahen im Einhorn eine Frau, deren Körperteile erkennbar waren. Sie und andere Kritiker sahen lediglich Geschlechtsteile. Die Frage, wessen Attitüde hier also Sexismus ins Spiel bring, ist eine leichte. Es ist die, die an kaum mehr als an Sexualität denkt, wenn nackte Haut zu sehen ist.
Kleidungszwang oder die Ablehnung von Kleiderlosigkeit ist eine Miniversion der diversen Verschleierungen, die z.B. im Islam - und auch im Katolizismus - zu finden sind. Beides sind Strukturen, in denen Frauen systematisch unterdrückt wurden und werden und den Sündenfall verkörpern und kein gutes Beispiel für ein freundliches und freiheitliches Miteinander sind.
Damit sollte endlich Schluß sein. Daher bin ich gegen die Tabuisierung von Nacktheit. Das Tabu reduziert Nacktheit auf einen sexuellen Level und nagelt sie dort fest.
Nur wegen dieses Tabus ist Werbung mit Nacktheit so erfolgreich.
Nur wegen dieses Tabus gibt es die Möglichkeit eine nackte Frau oder einen nackten Mann zur Ware zu erklären oder sie oder ihn als solche zu nutzen.
Wir mögen dem Tierreich entstammen und ihm zugehörig sein, aber wir Menschen sind keine Tiere, die fast ausschliesslich ihren Instinkten folgen. Daher brauchen wir statt Kleidern eigentlich nur Erkenntnis. Vielleicht ereilt Sie diese auch bald.
Schönen Gruß vom FKK-Strand mit einem Appell, die, die nichts anziehen wollen genauso zu würdigen, wie die, die etwas anziehen wollen.
Baden-Mailer
am 22.05.2019siehe auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Pietcong