Ich bin heute noch traurig, dass es Dich nicht mehr gibt. Verrückt. Fast so, als wäre jemand gestorben, mit dem ich lange befreundet gewesen wäre. Ein Bandkollege oder so. Jemand, mit dem mich eine Leidenschaft verbindet. Oder die stille Übereinkunft auf die Sicht der Dinge in der Welt. Dinge, die schieflaufen. Dinge, die Gefühle von Wut und Ohnmacht auslösen. Über soziale Ungerechtigkeit. Ausgrenzung. Rechte Politik, die einfach nicht tot zu kriegen ist. Und Angst. Deutsche Angst vor allem. Vor Ausländern. Vor Schwulen. Vor der Wiedervereinigung. Vor allem irgendwie. Mein Gott, da muss ich immer an Dich denken. Du würdest Augen machen, wie die Leute hier durchdrehen im Moment. Besonders, seit der aktuellen "Flüchtlingskrise". Schon zur Ära Kohl oder in Jörg Haiders Österreich hast du gesehen, dass mächtig was schiefläuft und die Wunden einer Gesellschaft offengelegt, die vor Ausländerfeindlichkeit und Angst trieft. Du hast mit deiner Kunst die Dämonen der Demokratie sichtbar gemacht.
Ich hab' mich auch in Deinem Humor wiedergefunden und genau gewusst, dass deinem Gaga-Terror eine kathartische Auseinandersetzung mit dem Wahnsinn Menschheit innewohnt. "Sie Künstler!", hat Dich mal eine alte Frau bei Deiner "Ausländer raus"-Performance angeschrien. Vor Entsetzen. Nicht darüber, dass Du im Jahr 2000 AsylbewerberInnen in einen Container vor der Wiener Oper gepackt hast, die die Österreicher, wie bei Big Brother, per Telefon-TED zur Abschiebung rauswählen sollten. Vielmehr hast Du es mit deiner Kunstaktion geschafft, tief verwurzelte Ängste freizulegen, die sich in hysterischen Wutausbrüche entladen. Eklat als Reinigung und wichtiger Schritt der Selbstreflexion und der Frage: Was macht das mit mir und warum eigentlich? Ich sah in Dir immer einen Anarcho-Therapeuten, der Deutsche und Österreicher zwang, sich mit sich selbst auseinander zu setzen.
Die freiliegenden Zahnhälse der Republik gefunden
Wenn ich Deine Aktionen, Performances und Filme gesehen habe, bekam ich Gänsehaut, weil du Ausrufezeichen in eine Gesellschaft geschossen hast, in der unter der Oberfläche nach 1945 längst nicht alles bene war. Du wusstest das und hattest keine Lust, das Maul zu halten, wie alle anderen, denen man im Fernsehen zusehen musste, weil es noch kein Streaming gab. Mit Dir war in der Glotze echt noch was los. Du hast Tacheles geredet. Wie bei "3 nach 9" von Radio Bremen im Wahljahr 2009. "Wählt nicht diese FDP. Lasst die Finger von diesem Schrott", hast du da insistiert. Die hätten uns den Irrsinn mit der freien Marktwirtschaft eingebrockt. Ich kannte damals keinen vergleichbaren Künstler, der solche Dinger brachte.
Du hast die freiliegenden Zahnhälse einer verkorksten Republik gefunden und eine Tonne Eiswürfel dagegengehalten. Und dann haben sie geschäumt, die Deutschen. Wenn ich daran denke, wie du wie ein Bekloppter "Tötet Möllemann" geschrien hast und von Deiner eigenen Kunst-Performance halb geteert und gefedert von der Polizei abgeführt wurdest, muss ich immer noch lachen. Die FDP war dein Lieblingsfeind. Deine Kritikform herrlich bescheuert und gleichzeitig clever. Ein Philosoph im Narrenkostüm. "Mit dem, was da passiert, is' 'ne Selbstschädigung inbegriffen. Und Selbstzweifel auch. Und die Selbstdemontage sowieso. Und das is'n hochpeinlicher Akt. Und dem setz' ich mich gerne aus. "So überleb' ich", hast du in Wien im Juni 2000 mal gesagt. Das hat mich schwer beeindruckt.
3 Kommentare verfügbar
Elena Wolf
am 09.08.2017