Freitagabend, 19 Uhr in der Neckarstadt-Ost, Mannheim. Beim Penny ist noch ein bisschen was los, ansonsten sind die schmalen Straßen zwischen den Jugendstilbauten leergefegt vom Nieselregen. Nur vor dem neuen Linken Zentrum stehen eine Handvoll junger Leute herum. Erwartungsvoll, ein bisschen aufgeregt. Wie viele werden wohl kommen zur ersten "Offenen Kneipe"?
Zwei Stunden später wird es rappelvoll sein. Rund 60 Menschen werden reden, lachen, diskutieren, ein Bier oder einen Tee trinken, Chips futtern. Aus Glasschüsseln, nicht aus der Tüte. Ganz normale Menschen auf zwei Zimmer, eine Küche und ein bisschen Flur verteilt. Alles blitzblank hier, weißgestrichene Wände, ein paar Tische, Stühle, ein Sofa, ein bisschen Büro, ein Beamer an der Decke, eine rote Fahne an der Wand. "Da kommen schon noch ein paar Bilder hin." Es klingt entschuldigend. Geraucht wird draußen und die Kippen kommen in den Aschenbecher und nicht auf die Straße, eine Ikea-Palme mit Lichterkette steht neben der Tür, und wenn da nicht wenigstens der Übertopf fehlen würde, wäre es fast schon ein bisschen unheimlich perfekt.
"Ewwe longt's" (kurpfälzisch für jetzt reicht es) heißt das durch Spenden finanzierte Linke Zentrum, das knapp zwei Wochen vorher eröffnet worden ist und es ruckzuck auch überregional in die Presse geschafft hat, weil ein paar rechte Störenfriede bei den Eröffnungsfeierlichkeiten unter anderem mit Pfefferspray unangenehm aufgefallen sind. "Wir hatten zig Presseanfragen", erzählt Vincent. "Allerdings drehten sich alle nur um den Übergriff. Der wurde in den Medien reichlich überhöht. Für uns stand die Eröffnung im Mittelpunkt." Vincent nimmt es locker. "Zuerst hat uns der Vorfall sehr angekotzt, weil die Rechten versucht haben, unsere Feier kaputtzumachen. Aber letztlich hat uns die Geschichte eine gewaltige Solidaritätswelle gebracht." Und dann ist dazu auch schon alles gesagt.
Vincent ist 21 und arbeitet in einer Werbeagentur. Er ist einer der rund 20 Menschen im Aktivkreis, die das "Ewwe longt's" realisiert haben. Räume, fernab vom "AZ-Image mit zugetaggten Wänden". Ein Dreivierteljahr hat es gedauert von der Idee bis zur Eröffnung. Am schwierigsten war die Suche nach dem geeigneten Platz. Eigentlich wollten sie lieber in der Neckarstadt-West Quartier nehmen. "Da ist mehr Multikulti und viele von uns leben dort." Aber das hat nicht geklappt, und schließlich ist das Ladengeschäft in der Kobellstraße ein Glücksgriff, denn der Blick auf Immoscout zeigt, dass die Vierzimmerwohnung im Jugendstilhaus zwei Häuser weiter nach Sanierung satte Einsfünf kalt kostet. Ja, es gibt auch noch günstigeren Wohnraum in der Neckarstadt, aber die Mieten steigen, es wird knapp. Die Gentrifizierung wird auch hier langsam zum Problem. Auch wenn es noch nicht so schlimm sei wie im Jungbusch, sagt Vincent. Alle hier sehen das dennoch kritisch.
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