Doch die Zukunft kam anders. Seit diesem Juli wird das Franklin-Gelände als Bedarfsorientierte Erstaufnahmestelle zur Flüchtlingsunterbringung verwendet. Träger ist das Land Baden-Württemberg, das zur Zeit nicht mehr auf diese Kapazitäten verzichten kann: Rund 9000 Asylsuchende leben auf dem ehemaligen Militärgelände, womit Franklin bereits jetzt die größte Massenunterkunft des Landes ist. Und trotzdem: Während andere Erstaufnahmestellen wie in Ellwangen und <link http: www.kontextwochenzeitung.de gesellschaft meister-der-improvisation-3126.html internal-link-new-window>Meßstetten dramatisch überbelegt sind, könnten in Mannheim noch einige tausend zusätzliche Plätze geschaffen werden. Mit vergleichsweise geringem Aufwand und vor allem kurzfristig.
Riesige Kapazitäten
Gut 5000 Menschen kommen im Columbus-Quartier, dem ehemaligen Gewerbegebiet von Franklin, unter. Jeweils um die 2000 Menschen leben in den Stadtteilen Funari-Barracks und Sullivan-Barracks. Hier gibt es hauptsächlich Verwaltungsgebäude, die umfunktioniert wurden. Damit sind alle Teile von Franklin bezogen, außer den eigentlichen Wohngebieten: Die Offizierssiedlung und Franklin-Mitte. Hier stünde noch Platz für mindestens 10 000 weitere Menschen zur Verfügung. In der Tat, es müssten noch neue Wasserleitungen und Stromkabel verlegt werden, und das würde mehrere Millionen Euro kosten - aber es wäre in kurzer Zeit zu bewerkstelligen. Allein die luxuriöse und leer stehende Generalsvilla bietet 338 Quadratmeter Wohnfläche.
Verglichen mit zweckentfremdeten Turnhallen und notdürftigen Zeltstädten wären Franklins Wohngebiete ein kleiner Himmel auf Erden. Interessant wird nun sein, ob Baden-Württemberg auf diese Option verzichten kann, ob die Absprache zwischen Land und Stadt hält, die lautet: Maximal 12 000 Menschen auf den ehemaligen Militärgeländen Mannheims, und auch das nur über den Winter. Ab dem 31. März sollen Funari und Sullivan wieder freigegeben werden. Franklin-Mitte und die Offizierssiedlung müssen angeblich nicht belegt werden - hier will die Stadt schon im Frühjahr 2016 mit den ersten Bauarbeiten beginnen. Doch Zahlen und Zusagen sind in diesen Zeiten wie Schall und Rauch.
Die Notlösung wird zum Vorzeigemodell
Ein Beispiel dafür ist das Patrick Henry Village am Stadtrand von Heidelberg. Die ehemaligen US-Kasernen wurden im November 2014 eilends hergerichtet, damit dort 1000, allerhöchstens 2000 Flüchtlinge über den Winter leben könnten. Eigentlich hätte die Einrichtung nur wenige Monate betrieben werden sollen, so der Plan. Heute sind dort über 4000 Menschen untergebracht. Mehr noch: aus der "Notlösung" wurde flugs ein "Vorzeigemodell".
In der Heidelberger Bevölkerung sorgt das für Ärger und Unverständnis. Nicht, weil man unwillig wäre, so viele Flüchtlinge aufzunehmen. Sondern vor allem, weil man sich von der Politik hintergangen und belogen fühlt. Inzwischen ist das Patrick Henry Village zur Zentralen Registrierungsstelle Baden-Württembergs geworden und damit mittelfristig unverzichtbar. Drei Viertel aller neu ankommenden Flüchtlinge werden nach Heidelberg gebracht, sollen hier registriert und medizinisch untersucht werden und ihren Asylantrag stellen. Dieses Prozedere hat vorher einige Wochen, teils sogar mehrere Monate gedauert. Jetzt, plötzlich, soll alles viel schneller gehen.
So schnell, dass Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) bei seinem jüngsten Besuch ganz begeistert war. Ein "Pilotprojekt mit Vorbildfunktion" für ganz Deutschland sei's, sagte er. Mehr Geschwindigkeit bei den Verfahren, Beschleunigung beim Abschieben, Entlastung für die überfüllten Landeserstaufnahmestellen, das bringe Heidelberg. Und jetzt fragen sich die Einheimischen, ob die Zentrale Registrierungsstelle vom Himmel gefallen oder schon über Monate hinweg geplant worden ist. Tatsache ist, dass Landesbranddirektor Hermann Schröder das Vorhaben des Landes am 16. September in einer Sondersitzung des Gemeinderats angekündigt hat. Keine zwei Wochen später ging die Registrierungsstelle in Betrieb.
Himmel und Hölle
3 Kommentare verfügbar
Erik Weber
am 08.11.2015