Stets zu Jahresbeginn, noch vor den ersten Schneeglöckchen, tauchen im Hohenlohischen merkwürdige Gestalten auf. Sie sind meist männlich, tragen dunkle Anzüge, fahren schwarze Autos und nennen sich "Hidden Champions". Sie wollen von den Besten lernen und eilen deshalb "zum Gipfeltreffen der Weltmarktführer" in Schwäbisch Hall, das weltweit durch seine Bausparkasse bekannt ist. Auf diese Steine können Sie bauen. Davor steht ein fetter SUV von Jaguar als Anschauungsobjekt.
Zum neunten Mal erklimmen sie bereits diesen Summit, weshalb man auch schon vom hohenlohischen "Davosle" spricht. Das ist voll okay, weil da einer ist, der Davos auf seine Weise, eben auf die hohenlohische, verkörpert: Reinhold Würth, 83, der bodenständig-bescheidene Schraubenmilliardär. Und wer bringt ihn alljährlich zum Leuchten? Walter Döring, 64, der frühere Wirtschaftsminister im Ländle. Beide sind bei der FDP, wobei ersterer auch schon angedroht hat, aus dieser Partei auszutreten, weil sie ihn in seinem Steuerhinterziehungsverfahren nicht unterstützt hat. Aber das ist nicht wichtig. Schon gar nicht für die 500 Gäste, die bis zu 1990 Euro für zweieinhalb Tage zahlen.
Inzwischen können sie auch ungestört vor sich hin gipfeln, weil sich der Protest in Hall auf eine "geistige Demonstration" verlegt hat. Ein Bündnis aus Gewerkschaften, attac, Kirchen und dem ewiglinken Club Alpha 60 kontert die Weltmarktführer <link http: www.akademieweltmarktverlierer.de external-link-new-window>auf "satirische Weise" mit einer "Akademie der Weltmarktverlierer" und nicht mehr mit bösen Transparenten. Ganz und gar nicht lustig sind freilich die Themen. Während Döring seine Gäste auf dem "Forum des Optimismus" begrüßt, geißeln ein paar hundert Meter weiter Theologen die "Armut und Wohnungsnot in einem reichen Land" und die "Rohstoffplünderung" in Afrika. Die Elite der Erfolgreichen, poltern die Gegner, verhielte sich wie die "Sonnenkönige des Absolutismus" auf ihrem "neoliberalen Gipfel".
Auch Reinhold Würth hat einmal klein angefangen
Aber: Auch Reinhold Würth war einmal arm. Er hat seine Anstrengung nie verleugnet, wenn er von seinem Leiterwägele erzählt hat, in dem er die Schrauben in bitterkalten Nächten ausgeliefert hat. Nur so schafft man Großes, wie etwa die Hundertmeteryacht, die er zuletzt vor der Freiheitsstatue in New York geparkt hat. Nur so kann man etwas an die Allgemeinheit zurückgeben. Etwa in Form der Kunsthalle Würth, in dem das "CEO-Event" für die Firmenlenker stattfindet. Oder als Carmen-Würth-Forum, in dem der Galaabend veranstaltet wird, untermalt von den Würth-Philharmonikern, die dem Sprecher der Konzernführung von Würth, Robert Friedmann, aufspielen. Letzterer wünscht sich "wertschöpfende Gespräche".
Auch Walter Döring wollte immer Großes. In seiner Zeit als Politiker wurde er als "Windmaschine" bezeichnet, weil er es schaffte, den Blätterwald, der damals noch aus Holz war, mächtig zum Rauschen zu bringen. Später, als er über eine Hunzinger-Spende stolperte und Unternehmer wurde, hielt er sich auch noch in den Schlagzeilen, allerdings in anderer Tonalität. Sei's in der Küche (Alno), auf der Felge (BBS) oder bei der Windreich AG, da gab's nur Geld und irgendwann die Pleite. Aber der Tausendsassa aus Schwäbisch Hall hat alle überlebt, auch den Staatsanwalt.
2 Kommentare verfügbar
Hans A. Graef
am 13.02.2019Die Betrachtung von J.O. Freudenreich ist weitgehend gelungen - die zu kurzen Anmerkungen zur Haller Akademie der Weltmarktverlierer teile ich nicht - ich bin als ATTAC-Aktivist Initiator dieser Gegen-Akademie und beobchte Dr. Dörings und Reinhold Würths…