Wie kann ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass in einer Gesellschaft eigentlich an erster Stelle die Gesundheit der Menschen stehen sollte und nicht der Profit? Wie kann die Arbeit an den Arbeitsstellen so gestaltet werden, dass auch Alte, Kranke und Schwache darin ihren Platz finden? Warum gibt es Beschäftigte, die die Härte des Arbeitslebens feiern und die KollegInnen, die es nicht aushalten können oder wollen, abwerten und mobben? Solche Fragen bearbeitet der Arbeitssoziologe Wolfgang Hien seit vielen Jahren, mittlerweile in seinem Forschungsbüro für Arbeit, Gesundheit und Biographie in Bremen. Tatsächlich gibt es viele solcher Institute. "Doch bin ich wohl der Einzige, der mit weitergehenden politischen Intentionen nicht hinterm Berg hält. Ich will die Mobilisierung der Betroffenen, ich habe eine klare antikapitalistische Haltung", erklärt Hien.
Dass das Thema zu seiner Bestimmung wurde, hat mit seinen Erfahrungen als Auszubildender zu tun, die der im Saarland geborene Hien 1965 beim Chemieriesen BASF in Ludwigshafen begonnen hat. "Ich hatte das Gymnasium nach der siebten Klasse abgebrochen. Tatsächlich hatte ich kaum eine Chance, im Saarland mit der Schule weiterzumachen, was wohl auch damit zusammenhing, dass meine Eltern keine Akademiker waren, sondern wie man so sagt, einfache Leute. Die Suche nach einer Lehrstelle bei der BASF war die logische Folge, auch wenn man nicht gleich um die Ecke wohnte", beschreibt Hien seine Berufswahl im Gespräch mit Historiker Peter Birke. "Gegen die Zerstörung von Herz und Hirn" heißt das jüngst erschienene Buch, in dem diese Gespräche über Hiens Leben und seine Erfahrungen dokumentiert sind.
Kulturgruppe im Lehrlingswohnheim
Hien und einige seiner KollegInnen waren vom gesellschaftlichen Aufbruch beeinflusst, der heute mit der Chiffre 1968 belegt wird. Sie diskutierten über die Kriegsdienstverweigerung und gründeten im Lehrlingswohnheim eine Kulturgruppe, die sich mit Nietzsche und Marx beschäftigte und Texte von Heinrich Böll und den pazifistischen Autor Wolfgang Borchert gelesen hat.
Hien war damals bei BASF eigentlich weit weg von den Universitäten, wo Studierende die Schriften von Marx und Adorno zu lesen begannen und sich bald fragten, warum die ArbeiterInnen nicht revolutionär waren. Manche kehrten den Universitäten den Rücken und gingen für einige Zeit in die Fabriken, um die ArbeiterInnen zu organisieren. Bei Hien lief es genau anders herum. Er bezeichnet sich heute als "umgekehrten 68er" – denn nach einigen Jahren verließ er die Fabrik, holte das Abitur nach und begann ein Studium an der Universität Heidelberg: Biochemie, Toxikologie, Philosophie, Soziologie, Psychologie und Pädagogik.
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Schwa be
am 19.08.2018Nur soviel zu Monsanto, Glyphosat oder Beyer. Black Rock, der weltweit größte und damit gefährlichste und menschenverachtendste "Finanzdienstleister" saß…