Ein paar Tage ist es her, da erreichte unsere Redaktion ein großes "Hallo aus der Provinz". Geschrieben hatte die Mail Dorothea "Dorle" Ferber, Kommunardin aus Owingen-Taisersdorf (Bodenseekreis), Musikerin und eine der vielen Kulturschaffenden im Land, denen Corona jegliche Auftritts- und Verdienstmöglichkeiten genommen hat. Mehr als 40 Künstlerinnen und Künstlern hat Kontext von März bis Mai 2020 mit Videos und kurzen Texten den Vorhang geöffnet auf der Bühne der "Großen Corona-Show". Eine "Teufelsgeigerin" sei Dorle Ferber, schrieb Kontext-Redakteur Josef-Otto Freudenreich damals. Die Vorfreude auf Musik vor echten Menschen ist ihrer Mail deutlich anzumerken: "Nachdem viel abgesagt war, darf ich endlich mal wieder spielen", jubelt sie und schickt uns eine Einladung zum Konzert (26. September, 18 Uhr im Pfullendorfer Parkhaus, Ebene 7, mehr hier) des Wilde Welten Trios. Die Musik der drei stehe für "ungebremste musikalische Fantasie und Spielfreude" mit Prisen von "Aufbruchstimmung und Lust an Veränderung". Klingt gut!
Zumal "Aufbruchstimmung und die Lust an Veränderung" dem einen eben gegeben sind und dem anderen eher nicht. Daimler beispielweise. Da dreht sich die Welt seit einigen Jahren verstärkt um die Erhaltung ihrer selbst, um Klimaerhitzung, Waldbrände und schmelzende Gletscher, und was macht die Firma, an der ganz Baden-Württemberg hängt? Haut eine neue fette S-Klasse raus und ist sich sicher – das ist die Zukunft. Ist es nicht, sagt der ehemalige Daimler-Betriebsrat Gerd Rathgeb. Immerhin: Bei etwa 100 000 Euro Anschaffungskosten lohnt sich für Ölscheichs, Investment-Banker, Immobilienhaie und Königinnen endlich mal die Mehrwertsteuersenkung.
Apropos Immobilien: Schon eine Weile her, aber wussten Sie, dass der Turm der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) in München dereinst von einem Schwarzwälder der Immobilienbranche zugeführt wurde? Was will man als Verlag auch mit so etwas Überflüssigem wie einem eigenen Gebäude? Braucht doch kein Mensch, wenn man’s für einen Haufen Zaster verkaufen und zurückmieten kann. So könnte es auch dem Stuttgarter Pressehaus ergehen. Bis dahin aber spart der Medienkonzern SWMH mal eben Deutschlands Prestigezeitung "SZ" in den Abgrund. Der Anfang ist bereits gemacht.
Vom großen Geld (bei Heckler und Koch sind diese Zeiten passé, das aber nur nebenbei) begeben wir uns in die Niederungen des normalen Lebens, direkt rein ins Kapitel G wie "Gürtelung", stattgefunden bei der Burschenschaft Normannia in Heidelberg. Gegürtelt, also mit einem Gürtel verhauen, mit Münzen beworfen und beschimpft wurde dort ein 25-Jähriger, nachdem er von jüdischen Vorfahren in seiner Familie erzählt hatte. Und wie das bei Einzelfällen meistens ist, kommt einer selten allein: im Normannia-Haus am Heidelberger Schloss trafen sich über Jahre hinweg diverse Vertreter der Rechtsextremen – von Pius-Brüdern bis zu Identitären. Und wer steht mit im braunen Sumpf? Ein pensionierter Mannheimer Kriminalhauptkommissar.
Zuletzt noch eine Frage unseres Kolumnisten. Eine wichtige Frage, eine nahezu existenzielle angesichts des abgesagten Stuttgarter Kollektiv-Besäufnisses Cannstatter Volksfest: Formieren sich die Trachten in Trachten-Abteilungen und Schaufenstern ohne Volksfest wohl selbstständig zu einer Armee des Grauens? Wuha! Vielleicht könnte man die Dirndl-Zombies dann mit ein paar Litern Volksfest-Bier zur Staatsgalerie locken. Da findet momentan eh kein Normalsterblicher hin, zumindest nicht, wenn er an der gleichnamigen Haltestelle aussteigt.
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