Manz war früher schon Altherren-Sprecher der Normannia und in seiner Zeit als Mitglied der rechten Verbindung Salamandria, Dresden, unter dem Trinknamen "Wotan" geführt. Er war lange Zeit führender Polizeigewerkschafter und ist heute stellvertretender Vorsitzender des Mannheimer Kreisverbandes der CDU, mit Ambitionen für höhere politische Ämter. Manz will die Normannia aus den Schlagzeilen holen und signalisiert im Gespräch mit Kontext "vollumfängliche Kooperation bei der Aufklärung". Er ist überzeugt, dass das skandalöse Ereignis mit antisemitischen Schmähungen und sogenannter Gürtelung nur eine Ausnahme des Burschenschaftslebens in der Normannia war. "Wir haben von alldem nichts mitbekommen", so Manz. Er beschwört die "gute" Geschichte der Burschenschaften aus dem 19. Jahrhundert mit ihrem "Streben nach Demokratie und nationaler Einigung".
Hier bietet sich ein Blick auf die Alten Herren der Normannia an. Laut Bundesbruder Manz alles "honorige Personen", mit denen es ihm Vergnügen bereitet, gemütlich beisammen zu sein, zu "Kneipen", diese "Art der Subkultur" zu genießen. Honorig sind oder waren demnach unter anderem folgende Personen aus dem Kreis der 96 Normannia-Altherren: Christian Wirth, AfD, Mitglied des Bundestages; Klaus Goebel, Rechtsanwalt, Mitglied der "Hilfsgemeinschaft Freiheit für Rudolf Hess" und Verteidiger von Holocaust-Leugnern wie David Irving; Michael Paulwitz aus Stuttgart, ehemaliger Republikaner-Funktionär, Co-Autor eines Buches mit dem völkisch-identitären Verleger Götz Kubitschek; Christian Schaar, Unternehmer und Funktionär der extrem rechten "Jungen Landsmannschaft Ostdeutschlands" mit guten Kontakten in die rechtsradikale Szene. Seine Frau Claudia (ehemals: Walter) war Sängerin des Neonazi-Musik-Duos "Eichenlaub", das 1999 ein Solidaritäts-Lied auf das damals untergetauchte Mörder-Trio Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos (NSU) publizierte. Tenor: "Wir denken oft an euch".
Niemand bemerkt rechtsextreme Umtriebe
Dies ist nur eine Auswahl der illustren Alten Herren der Normannia, zu der auch Manager, Journalisten und Rechtsanwälte gehören und die auf diversen Internetportalen der Antifa akribisch dokumentiert sind – unter der Rubrik "Heidelberger Biedermänner und Brandstifter". Sind diese honorigen Herren tatsächlich völlig ahnungslos, was die Geschichte der Normannia betrifft mit ihren vielen braunen Flecken? Wissen sie wirklich gar nichts von öffentlichen Statements der Normannia-Aktiven? Zum Beispiel "Wir müssen uns nicht schämen, Deutsche zu sein, und wollen nicht mehr vor Juden buckeln", wie 1993 in der Heidelberger Studentenzeitung "Ruprecht" zu lesen war. Oder von Flugblättern, die Normannia-Studenten 2000 in der Heidelberger Fußgängerzone gegen das "jüdische Finanzkapital" verteilten, wie das Portal "linksunten.indymedia" meldet?
Es wäre schon sehr merkwürdig, wenn sie nie mitbekommen haben, dass im Normannia-Haus am Heidelberger Schloss über Jahre hinweg unzählige Abende mit Vertretern der versammelten Rechtsextremen stattgefunden haben – von der Pius-Bruderschaft über regionale AfD-Strukturen oder auch Kubitscheks "Institut für Staatspolitik" bis zur Identitären Bewegung (IB). Oder dass Normannia-Studenten im Januar 2019 an einem Überfall auf das Mannheimer Jugendzentrum Ewwe Longt's beteiligt waren, was nach Polizeiermittlungen dazu führte, dass der Schülerfux Leon S. im Sommer 2019 gehen musste.
Der 18-jährige Leon S. ist ein Paradebeispiel dafür, mit welcher Verzweiflung über fehlenden Nachwuchs manche Burschenschaften neue Mitglieder keilen – und welche Reserven bereitstehen. Egon Manz, bei vielen Aufnahmegesprächen anwesend, postuliert dabei im Gespräch mit Kontext den Wunsch nach Kandidaten mit vorfindbarem "positiven Patriotismus" statt einem "schlechten Chauvinismus". Wo da genau die Grenze ist, so Manz, sei nicht einfach und müsse immer wieder neu geklärt werden: "Wir müssen da einfach aufpassen, der Spruch der Urburschenschaft 'Ehre, Treue, Vaterland' gilt aber auch heute immer noch."
Leon S. jedenfalls war im Vorstand der baden-württembergischen Jungen Alternativen (JA – AfD), andere JA-Mitglieder kamen regelmäßig in die Normannia-Burg. Wieder andere sind aktiv in der Identitären Bewegung, grüßen sich mit "Heil Hitler" und zeigen sich verstimmt, als daraufhin ein Bußgeld von 50 Euro für jeden Hitlergruß erhoben wird – einzuzahlen in die Burschenschaftskasse. Der Aktiven-Sprechen Kilian D., so die Antifa Freiburg auf ihrer Internetseite, soll sich zeitweise am Telefon mit "Heil Hitler" gemeldet haben.
Dies alles sowie Rempeleien und Schmähungen untereinander oder mit anderen Burschenschaften sind auch in jenem Abschiedsschreiben zu finden, das der geschasste Leon S. am 30. August 2019 an den Vorstand der Alten Herren nach seinem Rauswurf schickt und das Kontext vorliegt. Aber nichts geschieht. In einer Konventssitzung wird das Thema nur am Rande angesprochen, sagt Leon S., obwohl spätestens dann die Alten Herren Gelegenheit gehabt hätten, wildgewordene Jungpatrioten wie Luis S. an die Kandare zu nehmen. Doch gerade dieser Hauptbeschuldigte Luis S. ist einer von Zweien, die noch im Normannia-Haus leben, "weil er einen Mietvertrag hat", so Egon Manz.
Der Heidelberger Lehrer Michael Csaszkóczy, ein Kenner der Heidelberger Burschenschaftsszene und streitbarer Antifa-Aktivist, warnt im Gespräch mit Kontext davor, sich Illusionen darüber zu machen, dass sich Gruppen wie die Normannia entscheidend verändern: "Als kontinuierliches Motiv zieht sich durch die Geschichte der Normannia Heidelberg ein entschiedener Antisemitismus. Auch eigentlich unvereinbare Positionen sind bei den Veranstaltungen der Normannia willkommen, solange sie diesem zentralen Anliegen dienen: Ob neonazistische Holocaustleugner, arabische Antisemiten oder der Generalobere der ultrakatholischen Piusbruderschaft – sie alle werden in den wahnhaften antisemitischen Kosmos der Normannia eingebunden. Die Kontakte reichen dabei bis ins rechtsterroristische Milieu."
5 Kommentare verfügbar
Joachim
am 26.09.2020