Na also. Alles nur halb so wild. Gehen Sie bitte weiter, hier gibt es nichts zu sehen. In den vergangenen fünf Jahren sind in ganz Baden-Württemberg nur 155 Beschwerden gegen die Polizei eingegangen. In den allermeisten Fällen wurden diese Beschwerden als "Verdacht nicht bestätigt" abgeheftet. Doch die Aussagekraft dieser Zahlen, schreibt unsere Autorin Johanna Henkel-Waidhofer, sei mehr als zweifelhaft. Denn wem glaubt man wohl eher: einem Beamten oder einem, der offensichtlich "Ärger" mit der Staatsmacht hatte, und den womöglich noch das Label "Migrationshintergrund" schmückt? Wie Ärger mit der Polizei auch völlig ohne Hintergrund funktioniert, zeigt übrigens die Razzia in der Tübinger Ludwigstraße 15.
Sowieso Migrationshintergrund. Wenn etwas abgeschafft gehört, dann dieser sperrige Statistik-Begriff, der unsere Gesellschaft schon viel zu lange in echte und unechte Deutsche trennt. Dabei wäre es total 21. Jahrhundert, wenn zum Beispiel alle, die in Stuttgart leben, einfach StuttgarterInnen sein könnten. Zumal in der "City for Peace", der 2004 von der Unesco für vorbildliche Integrationspolitik ausgezeichneten Stadt. In der seit Wochen alles, was Rang und Namen hat, versucht, sich irgendwie auf dem Rücken der Krawallies zu profilieren, die da vor Kurzem Teile der Königstraße zerlegt haben. Immerhin: Frankfurt hat jetzt auch Randale. Und wieder ist von einer "nie dagewesenen Dimension der Gewalt" die Rede. Wie in Stuttgart hat sich auch dort Horst Seehofer eingeschaltet und widmet die Idee einer Studie zu Rassismus bei der Polizei gedanklich schon mal um in eine Studie zu Gewalt gegen Polizisten. Und man fragt sich immer nachdrücklicher, was da in den Tiefen des Polizeiapparats schlummern mag, dass einem beim Gedanken an eine Rassismus-Studie derart der Arsch auf Grundeis geht.
Wobei, mal ehrlich. Rassismus? Dat jibt et doch nit. So steht es auch auf Zetteln, die jemand wild in Baden-Württembergs Landeshauptstadt plakatiert hat: "In Stuttgart gibt es eigentlich keinen Rassismus. (...) Wir sind das Paradebeispiel für Integration. Sogar die New York Times hat über uns geschrieben". Weiter heißt es allerdings: "Und faktisch ist das die größte Lebenslüge dieser Stadt und auch der Region."
Es bleibt also kompliziert. Da loben wir uns die Querdenker, die nach diversen Großdemos in Stuttgart nun fürs kommende Wochenende Ravensburg zum Hotspot des Protests gegen die gesichtsentstellende Mund-Nasen-Maske und eine Corona-Impfpflicht auserkoren haben. Wir sagen: danke. Endlich kommt auch mal eine Kleinstadt in Baden-Württemberg in den Genuss aufgeklärter Merkel-Hasser mit Grundgesetz unterm Arm. Unser Autor Made Höld lebt in Ravensburg. Er allerdings fragt: "Was kann es Schöneres geben, als dem Gegenüber mit einer Maske zu signalisieren, du bist mir wichtig?"
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Ruby Tuesday
am 27.07.2020