Persönlich war ich erschrocken und überrascht zugleich, als ich von den Hausdurchsuchungen hörte. Ich fragte mich, ob da nicht der Protest der sogenannten Letzten Generation unnötig kriminalisiert und die Debatte hierdurch noch mehr emotionalisiert wird. Juristisch mag der objektive Tatbestand der Bildung einer kriminellen Vereinigung erfüllt sein. Ich persönlich bin der Auffassung, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aber bei der Frage, ob eine Razzia erforderlich ist, auch eine andere Bewertung zugelassen hätte. Auch wenn man die Protestform als solche für ungeeignet hält, wird man aus meiner Sicht den Aktivisten der sogenannten Letzten Generation zumindest zubilligen müssen, dass sie mit ihren Aktionen nicht versuchen, den Menschen aus purem Eigennutz oder Selbstverliebtheit zu schaden, sondern weil sie Angst vor einer Zukunft auf einem unbewohnbaren Planeten haben. Das sollte ungeachtet der Frage, wie man persönlich zu dieser Protestform steht, meiner Auffassung nach stärker berücksichtigt werden.
Letztlich ist es aber Sache der Justiz, in rechtsstaatlichen Verfahren die juristischen Fragen zu klären. Aus gutem Grunde hat die Politik keine Möglichkeit, auf diese Verfahren unmittelbar Einfluss zu nehmen. Das sollten umgekehrt aber auch die handelnden Staatsanwältinnen und Staatsanwälte bedenken und prüfen, ob sie sich nicht von der aufgeheizten Debatte in der Gesellschaft und insbesondere im bayerischen Wahlkampf beeinflussen lassen. Die Aktivisten selber können zu einer Klärung der juristischen Fragen beitragen, indem sie Rechtsmittel beispielsweise gegen die Durchsuchungen einlegen. Im Fall von Radio Dreyeckland hat sich im Zuge des Rechtsmittelverfahrens immerhin gezeigt, dass manch ein juristisches Instrument schon einmal vorschnell gezogen wurde. Wir sollten das weitere Verfahren genau beobachten, um gegebenenfalls politisch Schlüsse daraus zu ziehen. Und im Übrigen sollten wir den Protesten die Grundlagen insbesondere auch dadurch entziehen, dass wir uns schlicht zu einer effizienten Klimaschutzpolitik durchringen.
In der kommenden Kontextausgabe wird sich Ex-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin mit den Strafverfolgungsmaßnahmen und den Urteilen gegen die Letzte Generation beschäftigen.
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Karsten Wehrmeister
am 18.06.2023