"Der größte Erfolg von Scharm al-Scheich war, dass es keine Rückschritte gab", kommentiert der Journalist Bernhard Pötter das Resultat der UN-Klimakonferenz in Ägypten mit über 20.000 Beteiligten (darunter übrigens mehr Lobbyist:innen fossiler Konzerne als Abgesandte aus den zehn am stärksten vom Klimawandel betroffenen Ländern). Annalena Baerbock, nicht nur als grüne Außenministerin, sondern auch als deutsche Chefverhandlerin vor Ort, zeigte sich erleichtert, dass wenigstens das Festhalten am 1,5-Grad-Ziel "verteidigt" werden konnte. Auch wenn es sich weiterhin nur um eine Absichtserklärung handelt.
Extreme Dürrephasen und sich häufende Waldbrände in Europa, Flutkatastrophen, die wie in Pakistan ein Drittel des Landes unter Wasser setzen, oder eine Viertelmillion Kinder, die im vergangenen Jahr wegen Ernteausfällen am Horn von Afrika verhungert sind – all diese durch den Klimawandel beförderten Katastrophen, die sich schon heute bemerkbar machen, scheinen noch nicht ausreichend Motivation zu liefern, auf globaler Ebene Nägel mit Köpfen zu machen. Das mediale Entsetzen über das Scheitern der Konferenz hielt sich dennoch in Grenzen. Sind das alle schon zu sehr gewöhnt?
Jedenfalls war die Aufregung größer, als vor Kurzem Glasscheiben beschmutzt wurden. Gegen den Trend findet der Theaterregisseur Volker Lösch, mit den Institutionen der Hochkultur innig vertraut, die Kartoffelbrei-Attentate auf Monet und Co. "einfach super". Denn diese Aktionen würden auf das "heuchlerische Missverhältnis aufmerksam machen, sich lieber über lächerliche Scheinprobleme zu echauffieren als die wirklich gravierenden Schwierigkeiten anzugehen". Lösch, von 2005 bis 2013 Hausregisseur am Schauspiel Stuttgart, hat schon beim Protest gegen Stuttgart 21 mitgemischt und sagt: "Kunst ohne Anbindung an das Draußen, an die Zeit, in der ich lebe, finde ich sinnlos."
Gegenüber Kontext erklärt er, dass es "so marginal, wie wir an den kleinsten Schräubchen herumdrehen, nicht weitergehen kann". Und dass sich beim Klimaschutz "rein gar nichts tut", ist für ihn "der Beweis, dass nur ein fundamentales Umsteuern irgendetwas retten kann, wenn wir auf all die Wissenschaftler:innen hören wollen, die von Kipppunkten reden und sagen, wir haben jetzt noch ein Zeitfenster von zwei bis drei Jahren".
Minister Strobl hat einen Verdacht
In Bonn inszeniert Lösch aktuell das Stück "Recht auf Jugend", für das er Aktivisti der Letzten Generation – "Spezialist:innen des Alltags", wie er sie nennt – auf die Bühne geholt hat. Dort diskutieren sie mit Repräsentant:innen der "Versager-Generation", wie Lösch die eigene Alterskohorte nennt. Von den jungen Aktiven sagt der auf die 60 zugehende Regisseur, er selbst habe im gleichen Alter "argumentativ ja mal überhaupt nichts draufgehabt, wenn ich mich mit denen vergleiche".
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Stefan Urbat
am 23.11.2022