Jeder Meter wird gefeiert
Von Werner Sauerborn vom Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21
"Um Position beziehen zu können, sind wir auf Medien angewiesen, die uns unabhängig und mit einem kritischen Blick auf Macht und Mächtige informieren. So steht es jeden Tag im Kopf der Stuttgarter Zeitung, und so ist es das Vermächtnis des Antifaschisten und großen Demokraten Josef Eberle, der nach dem Krieg die StZ gegründet hatte. Diesem Anspruch sind die Stuttgarter Zeitungen beim Thema S 21 von Anfang an nicht gerecht geworden. Sie waren Teil des großen Bündnisses zur Durchsetzung des Projekts und erklärten schon 2010 in einem Selbstverständnisbeitrag ungeniert: 'Wir (!) sehen das Vorhaben positiv.' Seither erleben wir eine einseitige Berichterstattung, die jeden Meter Tunnelbau feiert (da scheint ein Anruf des S-21-Presseprechers Jörg Hamann, vormals Lokalchef der StN zu genügen), aber zu den wirklich berichtenswerten Fragen und für die Stadt existentiellen Folgen des Projekts vor allem schweigt, die Kritik kaum zu Wort kommen lässt und die Leser*innen so uninformiert hält. Fake news sind nicht das Problem, sondern eine asymmetrische Berichterstattung, die das Projekt von Anfang an als unumkehrbar verkauft hat und Alternativen ignoriert.
Der Ausweg aus der Krise der Blätter könnte, am Beispiel S 21 veranschaulicht, so aussehen: mehr Spielraum für die professionellen Redakteur*innen, die die Zeitung ja hat, um den Dingen auf den Grund zu gehen. Warum war es die englische Financial Times und nicht die StZN, die die massiven Betrugsvorwürfe von zwei S-21-Whistleblowern öffentlich machte? Zu alledem bräuchten die StZN nicht einmal mehr Zeit und Leute. Sie könnten auf sehr viel kompetente Expertise von Ingenieure 22, S-21-kritischen Architekt*innen, Stadtplaner*innen und Jurist*innen sowie etliche Gutachten zurückgreifen. Es ist angerichtet."
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Martina Auer
am 06.02.2022