Die Razzia war filmreif, selbst ein Safe war nicht sicher. Ihn haben die Beamten aus der Wand herausgerissen. Am 25. August 2017 war's, als das LKA Baden-Württemberg vier Privatwohnungen und das Freiburger Kulturzentrum KTS durchsuchte, wo es die Betreiber der Plattform "linksunten.indymedia" vermutete. Beschlagnahmt wurde unter anderem eine verschlüsselte Festplatte, welche die Beamten, trotz vereinter Bemühungen von Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz, bis heute nicht zu knacken vermochten. Und damit war die Beweislage offenbar zu dünn: Insgesamt elf Verfahren, unter anderem wegen des Verdachts auf "Bildung einer kriminellen Vereinigung", sind nun eingestellt worden. Es gebe aktuell keine konkret Tatverdächtigen, die als Betreiber identifiziert werden könnten, teilt die Staatsanwaltschaft Karlsruhe mit.
Bis zum Verbot war "linksunten.indymedia" eine der zentralen Kommunikationsplattformen der radikalen Linken im deutschsprachigen Raum. Jedem war es möglich, dort anonym Beiträge zu veröffentlichen, und die Moderation ließ sehr viel durchgehen. Neben Demo-Aufrufen und aufwändig recherchierten Themendossiers, etwa zu rechtsradikalen Umtrieben, gab es dort auch Aufrufe zu Gewalttaten, Bekennerschreiben oder Drohungen gegen politische Gegner. Da die Tätigkeit der Plattform den Strafgesetzen zuwiderlaufe und sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, konstruierte das Bundesinnenministerium unter Thomas de Maizière (CDU) einen "linksunten"-Verein, um ihn anschließend zu verbieten.
Ein Verbot über die Hintertür des Vereinsrechts
Dieses Vorgehen wurde von verschiedenen Seiten kritisiert. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) verwies in einer umfangreichen Stellungnahme darauf, dass hier das Vereinsrecht missbraucht werde, um ein Medium zu verbieten. Um gegen rechtswidrige Inhalte vorzugehen, hätte der Staat erst mildere Maßnahmen ergreifen müssen, bevor er die gesamte Plattform vom Netz nimmt – etwa durch Sperrverfügungen gegen einzelne Artikel. Ähnlich argumentieren die Reporter ohne Grenzen: "Dass die Bundesregierung ein trotz allem journalistisches Online-Portal durch die Hintertür des Vereinsrechts komplett verbietet und damit eine rechtliche Abwägung mit dem Grundrecht auf Pressefreiheit umgeht, ist rechtsstaatlich äußerst fragwürdig", schrieb ihr Geschäftsführer Christian Mihr.
Ob das – gegenüber der Plattform nach wie vor wirksame – Verbot über das Vereinsrecht rechtskonform ist, wird vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt werden. Unklar ist allerdings noch der Zeitpunkt. Eine mündliche Verhandlung war einst für den 15. Januar 2019 angesetzt, wurde dann jedoch verschoben. Wann ein Ersatztermin anberaumt wird, sei "derzeit noch nicht absehbar", teilt eine Gerichtssprecherin auf Anfrage mit.
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Josef Tura
am 22.08.2019