Vor wenigen Tagen, am vergangenen Montag, sagte der Syriza-Fraktionsvorsitzende Nikos Filis in einem Interview mit dem Sender ANT1, dass jeder, der gegen das Sparpaket gestimmt hat, der Partei seinen Sitz zur Verfügung stellen müsse. Was für ein leuchtendes Beispiel der ältesten Demokratie der Welt!
Das griechische System
Sowohl Varoufakis als auch Tsipras handeln nach dem alten griechischen System, in dem der Staat die Wirtschaft kontrolliert. In der Krise ist der Privatsektor praktisch verschwunden; die Beamten haben aber einen vergleichsweise geringen Anteil an den Einschnitten zu tragen. Das politische System Griechenlands hat immer so funktioniert: Wenn Du mich wählst, bekommst Du eine Stelle im Staatsapparat. Wer also die Beamten kontrolliert, gewinnt die Wahl. Auch Tsipras wollte dieses System beibehalten, konnte das nötige Geld dafür aber nicht auftreiben.
Dieser Beamtenapparat ist für den ganz alltäglichen Wahnsinn in Griechenland maßgeblich mitverantwortlich. Ich will Ihnen zwei Beispiele nennen.
Als vor einigen Jahren die griechischen Geburtenregister auf EDV umgestellt wurden, hat ein Standesbeamter meinen Nachnamen falsch geschrieben. Fortan hatte ich also einen anderen Namen als mein Bruder - und hatte folglich keinen mehr. Dass ich noch einen Vater hatte, blieb nur dem Umstand geschuldet, dass ihnen bei ihm der gleiche Fehler unterlaufen war. Trotz sofortiger Reklamation habe ich es in nunmehr acht Jahren nicht geschafft, dass dieser Fehler behoben wurde. Gerettet wurde ich von den deutschen Behörden, die den falschen Eintrag bei meiner Einbürgerung korrigiert haben.
Was beim Stuttgarter Bürgerbüro in 15 Minuten möglich war, hat das griechische Meldewesen, da nicht vorhanden, bis heute nicht geschafft. Wenn ich in Deutschland bin, habe ich einen Bruder und keinen Vater. Bin ich in Griechenland, habe ich einen Vater, aber keinen Bruder. Und ich habe nicht nur zwei Pässe, sondern auch zwei verschiedene Namen.
Erwähnenswert sind auch die griechischen Steuerformalitäten. Die ändern sich jedes Jahr, und es werden stets neue Formulare gefordert. Und so wurde auch ich im vergangenen Jahr aufgefordert, ein bestimmtes Papier aufzutreiben. Welches genau und vor allem, wo man es bekommen kann, darüber konnte mir das griechische Finanzamt leider keine Auskunft geben. Fündig wurde ich schließlich beim Stuttgarter Finanzamt, das mir das Formular in griechischer Sprache und englischer Übersetzung aushändigen konnte. Mein Dank gilt den dortigen Mitarbeitern.
Lieber Herr Spöri, als Wirtschaftsminister a. D. wissen Sie, dass eine ausufernde Bürokratie die Wirtschaft im Keim erstickt und Investoren abschreckt. Nicht nur Ausländer, auch Griechen können an den eigenen Behörden verzweifeln. Tsipras kann für dieses Chaos natürlich nicht verantwortlich gemacht werden; er macht aber auch keinerlei Anstalten, etwas an der Situation zu ändern. Der Staatsapparat bleibt so aufgebläht, wie er ist, denn die heiligen Kühe, die Beamten, können nicht angetastet werden.
Gleichzeitig wird der Privatsektor abgewürgt, die Arbeitslosigkeit ist hier auf bis zu 60 Prozent angewachsen. Ich wäre, wenn ich denn noch in Griechenland leben würde, übrigens jetzt auch arbeitslos. Meine Zeitung Eleftherotypia ist seit einem Jahr geschlossen. Sie schuldet mir ganz nebenbei noch zehn Monatsgehälter, die ich natürlich niemals einfordern kann. Denn, das hätte ich fast vergessen zu erwähnen, funktionierende Arbeitsgerichte gibt es auch nicht.
Apropos Presse
2011 habe ich eine Athener Wochenzeitung nach vielen Jahren der Mitarbeit verlassen. Nicht, weil sie nicht zahlte, sondern weil man meine Arbeit zensieren wollte. Ich sollte bitteschön alle Europäer als Nazis kennzeichnen und die Griechen stets als siegreiche Helden. Ich habe gekündigt.
33 Kommentare verfügbar
Schwabe
am 21.07.2015Auszug:
"Sorry,
aber wenn ich die Artikel von Herrn Koufogiorgos lese, dann zwängt sich immer wieder ein Gedanke ganz hartnäckig in meinen Kopf:
Ich denke, man kann bei Herrn Koufogiorgos das bekannte und bei…