Ob Frankreich, Spanien, Irland oder Griechenland: Bei "Euro Crisis" wird alles zu Geld gemacht, was sich so im Staatsportfolio findet. Neben La Tour Eiffel, der Akropolis und den Fußballjungs wären das etwa auch die französische Bahn SNCF, der spanische König und das Bierparadies Guinness. Äh, Guinness ...? Ist das nicht in Privatbesitz?
"Na ja, es war ganz schön schwierig, attraktives Staatseigentum zu finden. Wir haben das ein wenig großzügig gehandhabt", sagt Julian Schärdel, während er Staatspläne, Waffen und Gold – jeweils in Würfelform –, Privatisierungsfiguren, Aktionskarten und Ereignischips (Wirtschaft und Volkszorn) auf dem Tisch verteilt. Es sieht extrem kompliziert aus, was er und seine vier brettspielbegeisterten Studienfreunde sich da in dreijähriger Knobelarbeit ausgedacht haben. Scheint viel Guinness im Spiel gewesen zu sein, denke ich, als Julian Schärdel mir die Aktionskarten von "Euro Crisis" erklärt.
Als Erstes soll ich mal nach Frankfurt und mir bei der EZB Geld holen – "da gibt's die Milliardenpakete, garantiert garantiefrei und zu günstigen Zinsen" –, dann muss ich nach London und die Kohle an der Börse vermehren, und dann fahre ich nach Moskau und kaufe dort Gold. Oder waren es Waffen? Hm, egal, auf jeden Fall ist es böse.
"Euro Crisis" ist nichts für Gutmenschen, weil jeder der drei bis vier Spieler nur ein Ziel kennt: als gewissenlose Bank soviel Geld wie möglich scheffeln. Am besten geht das mit Privatisierungen. Die immer dann stattfinden, wenn sich ein Staat ein Milliardenpaket zu überzogenen Zinsen holt und das Staatseigentum an den Höchstbietenden geht. Ähnlichkeiten mit real existierenden Ereignissen und Ländern sind, logo, gewollt.
Die fünf Brettspiel-Aficionados Nikolai Diekert, Claudio Bierig, Simon Eich, Philipp Täger und Julian Schärdel wollen mit ihrer ersten serienreifen Spiele-Erfindung die derzeitige politische Lage auf den Punkt bringen und greifen dafür tief in die Trickkiste erprobter europäischer Patentrezepte.
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Ulrich Frank
am 30.06.2015