
Heinz E. am Stuttgarter Hauptbahnhof.
Heinz E. will von Fellbach zum Entzug ins Bürgerhospital. Bis dahin sind Anträge auf Kurzzeitpflege mit Verlängerung ("Verhinderungspflege") beim zuständigen Sozialamt Esslingen zu stellen. Heinz darf seine bisherige Wohnung nicht mehr betreten und ist jetzt ohne festen Wohnsitz. Ein Drogenberater von der Evangelischen Gesellschaft (eva) in Stuttgart geht mit zum Einwohnermeldeamt, hilft bei Anträgen. Die Sozialarbeiterin in Fellbach ist wichtig für die Motivation des Patienten und stellt Kontakte her: Behörden, Versicherungen, ambulante Reha, Gutachter, Ärzte, Kliniken, alle brauchen eine Adresse und Ansprechpartner. Es bleiben viele offene Fragen, vor allem finanzielle:
Wieso duldet die Bank, dass Heinz E. bei einem Überziehungskredit von 500 Euro sein Konto um mehr als 10 000 Euro überzogen hat, als ihn die Lebensgefährtin vor die Tür setzt? Wie kann es sein, dass der Dauerauftrag für die Miete weiter läuft, obwohl längst Nachmieter in seiner Wohnung sind? Warum lässt der Mobilfunkanbieter Rechnungen von über 3500 Euro auflaufen, bevor er das Handy sperrt? Wieso vier Wochen Kurzzeitpflege und zwei Wochen Verhinderungspflege, wenn die Wartezeit für die Entgiftung meist länger ist? Und warum nennen AOK und Klinikum unterschiedliche Entgiftungskosten?
Laut AOK Baden-Württemberg kann der Hausarzt die klinische Entgiftung anordnen: "Anschließende rehabilitative Behandlung ist keine Zugangsvoraussetzung für die akutstationäre Behandlung." Kosten: 4000 bis 4500 Euro bei drei Wochen, 3000 bis 3500 Euro bei der mittleren Verweildauer von zwei Wochen. Für Professor Martin Bürgy, den Leiter des Zentrums für seelische Gesundheit in Bad Cannstatt, sind drei Wochen Entgiftung normal. Sein Geschäftsführer Volkert Weiss kommt fast auf doppelt so viel wie die AOK: 21 Tage mal 350 Euro, also 7350 Euro. Hier geht es um viel Geld, denn manche Patienten kommen mehrmals im Jahr. Wer entscheidet, ob die volle Therapie genehmigt wird oder nur ein Teil – die Ärzte oder die Kassen?
Betreuer, Notare und Gutachter
Was passiert mit Menschen wie Heinz E., die nicht mehr in der Lage sind, ihren Alltag selbst zu bewältigen? 1 300 000 davon gibt es bundesweit, rund 80 Prozent der Fälle betreuen Angehörige und Vereine ehrenamtlich. Findet sich kein geeigneter Betreuer, bestellt das Familiengericht einen Profi. In Stuttgart kümmern sich 80 Berufsbetreuer um über 3000 Behinderte mit psychischen Problemen oder Suchterkrankungen. Aber, so Klaus Gölz, Leiter der Stuttgarter Betreuungsbehörde: "Wer Betreuer werden kann und wie seine Qualifikation aussehen muss, regelt kein Gesetz."
6 Kommentare verfügbar
sven kellner
am 01.07.2015das heinz e.der ersten therapie die mitarbeit versagt hat lag eher an der tablettenkonstelation, die antidepressiva beamten ihn aus dieser einrichtung aber heinz e. ist ja mehrfach betroffen???
DER SVEN KELLNER im heinz e weiß nun um wen er einen großen bogen machen muß und auch wird!!!!!!!!! ERST RECHT NICHT UM aggressiv zu werden.der ven kellner wird es auch schaffen wieder zu genesen doch ein herr puhl wird nicht darüber berichten können
Gela
am 28.06.2015Das Grundsatzproblem, das @Min anspricht, nämlich der Widerstreit zwischen Fürsorge und Selbstbestimmung im Menschenbild des PsychKHG, stellt sich wesentlich schärfer im Umgang mit Menschen, die psychotische - vor allem manische - Schübe erleiden, in denen sie sich um ihre ganze soziale Existenz bringen können, ohne dass dies unter die Kategorien von Eigen- oder Fremdgefährdung fällt und eine Zwangsunterbringung und Zwangsbehandlung zum Wohle des Patienten möglich machen würde.
Das andere Problem ist natürlich die Zersplitterung und Bürokratisierung des Gesundheits- und Sozialsystems, wobei es allerdings weniger um den Kampf darum geht, wer an den Kranken verdienen kann, wie @Ernst Hallmackeneder meint, sondern darum, die Verantwortlichkeit von einem Kostenträger auf den andern zu schieben. Krankenkassen, Rentenversicherungen (die auch für Reha-Massnahmen zuständig sind) , Jobcenter etc. schieben die Akten oft solange hin und her und entscheiden dann u.U. auch noch entgegen der Expertise der Behandler über die Massnahmen - bis aus einer akuten, gut behandelbaren ( z.B. psychosomatischen) Krankheit ein chronisches Leiden und aus dem anfangs zur Genesung Motivierten ein resignierter sog. "Rentenbegehrer" geworden ist. Zudem kostet das eine Menge Geld und Zeit an Gutachten und Gegengutachten, die besser in die Behandlung investiert worden wären , wenn es ein einheitliches Kranken -und Sozialversicherungssystem gäbe,
Schwabe
am 28.06.2015Ich hätte es nicht besser formulieren können!
Min
am 27.06.2015Das gescholltene System gewährt Menschen mit psychischen Störungen mehr Rechte und fördert deren Selbstbestimmung, was prinzipiell gut und richtig ist. Ob dies immer zum Vorteil der Betroffenen ist, muss weiter kontrovers diskutiert werden, wie der Fall E. beispielhaft zeigt.
Ernst Hallmackeneder
am 26.06.2015Daß da ein schwer depressiver Mensch beim Schicken von Pontius zu Pilatus verzweifelt verstehe ich. Ich vergleiche es mal spontan (und sicherlich nicht angemessen) mit dem Grausen, daß "normale" Menschen überkommt, wenn's an das Ausfüllen der Einkommensteuererklärung geht.
Die "Selber-schuld"-Aussagen sehe ich als zutiefst kapitalistische Denke an, die im übrigen genau so auch von der Scientology vertreten wird.
Ganz erschreckend der Gedanke, daß die Helferindustrie zu ihrem eigenen Erhalt einen stetigen Nachschub von "Fällen" braucht...
Gela
am 26.06.2015