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Neue Studie über Porsche-Gründer

Der Ausgestoßene

Neue Studie über Porsche-Gründer: Der Ausgestoßene
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Aus der Geschichte der Firma Porsche war der jüdische Mitgründer Adolf Rosenberger getilgt. Was für heftige Kontroversen sorgte. Jetzt hat der Historiker Joachim Scholtyseck ein Buch über Rosenberger veröffentlicht – finanziert von Porsche.

Es ist ein bedeutender Tag für Sandra Esslinger. Endlich werde die Rolle ihres Onkels Adolf Rosenberger als Mitgründer der Porsche GmbH angemessen gewürdigt: "Forgetting is easier than remembering", vergessen ist leichter als erinnern, betont die Kunsthistorikerin aus Kalifornien vor den 60 geladenen Gästen am Institut für Zeitgeschichte in München. Aber nun gilt: "Adolf Rosenberger is returning back to Stuttgart."

Achim Stejskal, der Leiter des Stuttgarter Porsche Museums, bekennt: "Die Person Adolf Rosenberger, sein Leben und sein Wirken sind es mehr als wert in Erinnerung gehalten zu werden. Ausgrenzung, Diskriminierung und Antisemitismus treten wir entschieden entgegen" – und zitiert damit wortwörtlich den Porsche-Vorstandsvorsitzenden Oliver Blume.

Und so attestiert an jenem 25. September 2025 bei der Buchvorstellung in München der Bonner Historiker Professor Joachim Scholtyseck dem legendären Ferdinand Porsche unwidersprochen, in der NS-Zeit "für Mitgefühl gegenüber seinem Teilhaber Adolf Rosenberger unempfänglich" gewesen zu sein und dabei "die Regeln des Anstands verletzt" zu haben. Scholtyseck bezieht sich unter anderem darauf, dass Rosenberger 1935 seinen Firmenanteil von 10 Prozent zum Nennwert von 3.000 Reichsmark an Porsche-Sohn Ferry abgeben musste. Weit unter Wert. 1950 schrieb Rosenberger aus dem Exil in Los Angeles an seinen Rechtsbeistand in Pforzheim: Er unterstelle den Familien Porsche und Piëch zwar keinen Antisemitismus, aber man habe seine Situation als Jude ausgenutzt, um ihn aus dem Unternehmen zu drängen (Kontext berichtete).

Antisemit soll Porsche nicht gewesen sein

Über all das wurde schon Jahre zuvor anhand der Originalquellen aus dem Nachlass von Adolf Rosenberger in Presse, Funk und Fernsehen berichtet, nun wird dies auch von akademischer Seite bestätigt. Scholtyseck spricht allerdings nicht von "Arisierung" und bezweifelt, dass bei Porsche im Fall Rosenberger Antisemitismus eine Rolle gespielt habe: "Für mich als Historiker hat sich ein weiteres Mal erwiesen, dass man als Unternehmer kein Antisemit sein musste, um sich im Dritten Reich Vorteile durch die verschiedenen Vorgänge der Entjudung zu verschaffen."

2019 hatten Sandra Esslinger mit Christoph Rückel, einem als Nebenkläger in Prozessen gegen NS-Täter erfahrenem Münchner Rechtsanwalt, die gemeinnützige Adolf Rosenberger gGmbH gegründet. Diese und Potsche verständigten sich im Oktober 2022 darauf, den für Unternehmensgeschichtsforschung bekannten Historiker Joachim Scholtyseck den "Fall Rosenberger" in einer unabhängigen wissenschaftlichen Studie aufzuarbeiten. Porsche übernahm sämtliche Kosten, über deren Höhe Stillschweigen vereinbart wurde.

Nun bestätigt Scholtyseck, dass die Familien Porsche und Piëch in Sachen des jüdischen Firmenmitgründers die Deutungshoheit übernommen hatten: "In der Nachkriegszeit gelang es der Porsche-Führung, sich in einem milden Licht zu zeichnen." So verschwand Adolf Rosenberger aus der Geschichte des Unternehmens, obwohl er doch 1930/31 zusammen mit Ferdinand Porsche und dessen Schwiegersohn Anton Piëch in Stuttgart das legendäre "Konstruktionsbüro" aus der Taufe gehoben hatte, die "Dr. ing. h.c. Ferdinand Porsche GmbH", Keimzelle des heutigen Weltkonzerns.

Porsche hielt damals 80 Prozent der Anteile, Piëch und Rosenberger waren mit jeweils zehn Prozent beteiligt. Als Geschäftsführer und Mitgesellschafter kümmerte sich der junge, weltläufige und bestens vernetzte Motorsportmann Adolf Rosenberger (1900 bis 1967) in den Zeiten der Weltwirtschaftskrise um die Akquise von Aufträgen und finanzierte mit Krediten das Unternehmen, das anfangs um die 20 Mitarbeiter zählte. Ohne Rosenberger keine Porsche GmbH. Obendrein sollte der frühere Mercedes-Benz-Werksrennfahrer den von Porsche konstruierten Auto Union-Rennwagen fahren, doch Rosenberger bekam als Jude keinen Rennlizenz im NS-Staat.

Aus der Firmengeschichte getilgt

Zum 75-jährigen Jubiläum des legendären Stuttgarter "Konstruktionsbüros" benannte die Porsche-Presseabteilung als Gründer des Unternehmens allein Ferdinand Porsche und Anton Piëch. Worüber der Schreiber dieser Zeilen 2006 als Reporter im SWR-Hörfunk und Fernsehen berichtete. Dabei kamen auch Hartmut Wagner, der Großneffe von Rosenberger, und Martin Walter zu Wort, der als Leiter des Kreisarchivs Rastatt ebenfalls über den jüdischen Mitgründer der Porsche GmbH recherchiert hatte.

Der Journalist Ulrich Viehöver fuhr sodann 2009 mit seinem Beitrag "Ferdinand Porsche. Hitlers Lieblingskonstrukteur, Wehrwirtschaftsführer und Kriegsgewinnler" im Sammelband "Stuttgarter NS-Täter" schweres Geschütz gegen Porsche auf. Daraufhin kündigte der damalige Leiter des Porsche-Archivs Dieter Landenberger gegenüber der israelischen Zeitung Haaretz an, eine externe historische Studie zu den Vorwürfen in Auftrag geben zu wollen.

Doch zuvor sendete der SWR 2011/12 weitere Berichte, die sich auf Akten im Generallandesarchiv Karlsruhe über Rosenbergers Verschleppung ins Konzentrationslager Kislau stützten. Dort wurde er misshandelt, musste um sein Leben bangen und kam schließlich frei. Ob durch Hilfe von Porsche hat Rosenberger bestritten. Herangezogen wurden ebenfalls die im Staatsarchiv Ludwigsburg befindlichen Unterlagen von Rosenbergers Klage gegen Porsche auf Rückerstattung seiner ihm 1935 entzogenen Geschäftsanteile. Im September 1950 kam es zu einem Vergleich, Rosenberger erhielt von Porsche 50.000 D-Mark und einen VW-Käfer. Solange die Klage anhängig war, stand die Firma unter Aufsicht der alliierten Kontrollbehörde, die den Wert des Unternehmens damals auf 1,2 Millionen D-Mark bezifferte. Auch in der jetzt vorliegenden Bewertung von Scholtyseck kein fairer Vergleich für Rosenberger.

Enthalten in den SWR-Beiträgen von 2011/2012 waren auch erstmals Informationen von Familie Esslinger in Claremont, Kalifornien, Verwandte von Adolf Rosenberger, die dessen Nachlass aufbewahrt hatten. Der Porsche-Mitgründer benannte sich 1943 in seinem amerikanischen Exil nach Erhalt der US-Staatsbürgerschaft in Alan Robert um, versuchte vergebens wieder für Porsche tätig zu werden, führte zudem anstrengende Kämpfe mit deutschen Behörden um enteignete Grundstücke in Pforzheim und Entschädigung für erlittenes Unrecht während der NS-Diktatur. All das hatte gesundheitliche Folgen. Am 6. Dezember 1967 starb Alan Robert aka Adolf Rosenberger mit 67 Jahren in Los Angeles an den Folgen einer Herzattacke.

Erstes Gutachten mit Lücken

Porsche beauftragte 2015 den Historiker Wolfram Pyta von der Universität Stuttgart, die Frühgeschichte des Unternehmens wissenschaftlich zu untersuchen. Als Resultat erschien zwei Jahre später Pytas Buch "Porsche. Vom Konstruktionsbüro zur Weltmarke". Eine sehr wohlwollende Darstellung (Kontext berichtete), über die das Unternehmen auf Anfrage nach wie vor feststellt: "Die Beschreibung von Ferdinand Porsche unterscheidet sich in der Arbeit von Professor Scholtyseck nicht grundlegend von der bereits vorgelegten Einschätzung von Professor Pyta in seiner unabhängigen Studie."

Allerdings hatte Pyta seine wissenschaftliche Arbeit ohne Berücksichtigung des Nachlasses von Adolf Rosenberger bei Familie Esslinger in Kalifornien geschrieben. Worüber zuerst 2017 bei ARD Report Mainz berichtet wurde. Sandra Esslinger und ihre Mutter Phyllis kamen zwei Jahre später noch ausführlicher zu Wort in der 45-minütigen ARD-Dokumentation "Der Mann hinter Porsche". Die Presse-Resonanz auf den Film war groß, so Scholtyseck. Und als danach die gemeinnützige "Adolf Rosenberger gGmbH" gegründet wurde, bestand bei Porsche Handlungsbedarf für eine weitere wissenschaftliche Aufarbeitung. Im Oktober 2022 wurde die entsprechende Vereinbarung getroffen, beim Porsche Börsengang hieß es, dass das Resultat der Studie möglicherweise negative Folgen haben könnte.

Nun liegt das Buch von Joachim Scholtyseck vor. Fast all das, worauf im "Fall Rosenberger" Journalisten und auch manche Historiker über zwei Jahrzehnte hinweg aufmerksam zu machen versuchten, findet sich nun auf den 700 Seiten auch wissenschaftlich weitgehend bestätigt. "Adolf Rosenberger. Rennfahrer, Porsche-Mitgründer, Selfmademan. Eine Enttäuschungsgeschichte" ist für alle Beteiligten ein Erfolg. Sandra Esslinger und die "Adolf Rosenberger gGmbH" sehen die Persönlichkeit und die Rolle des Namensgebers ihrer gemeinnützigen Gesellschaft endlich als ebenso ausführlich wie angemessen gewürdigt. Und auch bei Porsche zeigt man sich höchst zufrieden: "Für uns – Vorstand, Aufsichtsrat, das ganze Unternehmen Porsche – ist die Auseinandersetzung mit unserer Geschichte eine permanente Aufgabe. Und wir stehen zu unserer Verantwortung, die sich daraus ergibt."

Porsche-Museumschef Achim Stejskal trug diese Worte in München in Vertretung von Sebastian Rudolph vor. Der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit bei Porsche hatte an jenem 25. September anderes zu tun. Denn in Stuttgart-Zuffenhausen geht es jetzt nicht um die Vergangenheit, sondern um die wirtschaftliche Zukunft von Porsche in Zeiten von Gewinnwarnungen und drohenden Entlassungen.


Eberhard Reuß ist Journalist und Autor der ARD- und SWR-Beiträge über Adolf Rosenberger. 2006 ist sein Buch "Hitlers Rennschlachten. Die Silberpfeile unterm Hakenkreuz" erschienen. 2008 die erweiterte englische Fassung "Hitler's Motor Racing Battles". Den Fall Adolf Rosenberger schilderte er auch in der 3. Auflage des Sammelbandes über Stuttgarter NS-Täter.

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